Freitag, 1. März 2013

Journalistische Pferdelasagne

Qualität kostet. Das weiß auch der liebe Kollege Ulrich Hottelet - ein Bajuware, den es als Freier Journalist nach Berlin verschlagen hat und der in seinem Blog über Themen aus Politik, Medien und dem IT-Bereich schreibt. Das Pferd in der Lasagne brachte ihn zur Qualität im Journalismus - proudly presented:

Ulrich Hottelet
Von ULRICH HOTTELET

Ein Aufschrei ging mal wieder durch deutsche Lande: Pferdefleisch statt Rindfleisch in den Lebensmitteln, ein Skandal! Nun liegt es mir fern, falsche Etikettierungen und miese Betrugsmaschen zu verteidigen, aber der klitzekleine Aspekt, dass eine der wesentlichen Ursachen des veritablen Skandals in unserem Einkaufsverhalten als Verbraucher begründet ist, kam mir in der Debatte zu kurz.

Wer allen Ernstes meint, die Tiefkühlware im Supermarkt könne Jahrzehnte lang spottbillig bleiben, bestehe aber aus einwandfreiem Fleisch, am besten noch aus artgerechter Haltung, bindet sich selbst einen Bären auf. Worauf ich hinauswill: Qualität kostet. Punkt, Aus, Ende. Wer nicht bereit ist, dafür zu zahlen, befördert auf kurz oder lang solche Zustände, wie wir sie jetzt in der Lebensmittelbranche zu Recht beklagen und kritisieren.

Im Journalismus verhält es sich genauso, auch wenn die Medienbranche auf den ersten Blick wenig mit dem Fleischhandel zu tun zu haben scheint. Aber auch hier kostet Qualität.

Im Internet hat sich bekanntlich eine Gratiskultur breitgemacht, nachdem alle einschlägigen Nachrichtenportale ihre Artikel für umme anbieten.
Mit dem seufzend vorgetragenen Mantra der Verleger, Chefredakteure und Experten, das ginge nicht anders und würde vom „Nutzer“ (vom Leser ist heute kaum mehr die Rede) so gefordert, möchte ich mich in diesem Blogpost aus Platzgründen nicht näher auseinandersetzen, sondern auf meinen Artikel „Ohne Bares nichts Wahres“ im Cicero verweisen, der zwar aus dem Jahre 2010 stammt, in seinen Grundaussagen aber immer noch als ziemlich aktuell gelten kann.

Mit den vielfältigen Herausforderungen, denen sich der Journalismus heute gegenüber sieht, werde ich mich in künftigen Beiträgen näher beschäftigen. Für heute will ich es bei einem Denkanstoß belassen. Die Honorare für freie Journalisten bei Tageszeitungen rangieren zwischen 0,15 Euro und 1,40 Euro pro Zeile. Das heißt, für einen mittellangen Artikel von 100 Zeilen erhält man zwischen 15 Euro (kleine Regionalzeitungen) und 140 Euro (überregionale Top-Blätter der Republik), wenn man nicht ein höheres Pauschalhonorar vereinbart hat, was aber oft nicht möglich ist. Falls Sie sich selbst einen Eindruck verschaffen wollen, hier und hier zwei einschlägige Links.

Für die Recherche und das Schreiben eines Artikels benötigt man mehrere Stunden. Der Zeitaufwand hängt von der Komplexität des Themas, dem Vorwissen des Autors, der Zahl der Gesprächspartner und vielem anderem ab. Dass bei solchen Stundensätzen – online unterscheiden sie sich oft kaum von den Tageszeitungen – dennoch oft Qualitätsjournalismus geboten wird und das sowohl von den überregionalen Zeitungen als auch von den Lokalzeitungen, gehört zu den Wundern der Medienwelt und liegt nicht zuletzt in der Selbstausbeutungsbereitschaft freier Journalisten begründet, die in ihren Artikeln skurriler Weise gerne gelegentlich die Ausbeutung in anderen Branchen anprangern.

Die Profitabilitätspalette der Kunden, also der Tageszeitungen, auf der anderen Seite ist sehr breit und reicht von roten Zahlen bis zu Umsatzrenditen von 20 Prozent.

Sollten Sie sich wundern, dass Sie künftig immer mehr mit journalistischer Pferdelasagne statt mit Qualitätsjournalismus verköstigt werden, indem man Sie z.B. mit umgeschriebenen Pressemitteilungen von Unternehmen und Verbänden statt mit eigenrecherchierten, zumindest einigermaßen um Objektivität bemühten Artikeln abspeist, denken Sie mal darüber nach, ob die billigen oder gratis erhältlichen Medien langfristig wirklich in Ihrem Interesse sind.

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Ulrich stellt diesen Beitrag am Wochenende auch in sein Blog. Zum Thema habe ich noch ein paar interessante Links zusammengetragen: Die Vergütungsregeln Text, die bereits seit Jahren gelten, aber von den Verlagen trotzdem selten eingehalten werden, finden Sie hier. Über die Vergütungsregeln für Bilder - denen wohl dasselbe Schicksal droht - wurde noch länger mit den Verlegern verhandelt. Inzwischen liegt ein Schlichterspruch vor; Näheres dazu (mit Rückmelde-Möglichkeit) hier beim DJV. Und schließlich gibt es noch die Internetseite faire-zeitungshonorare, die aktuell über die Vergütungsregeln Bild berichtet und oben links einen Kalkulator für Text-Honorare anbietet.