Samstag, 19. Januar 2013

Westfälische Rundschau: Zuspruch tut gut

„Demokratie braucht vor allem im Lokalen Meinungsvielfalt, insofern ist die Schließung der WR-Redaktionen nicht nur eine unternehmerische Entscheidung“, appellierte eine sichtlich verärgerte Medienministerin Angelica Schwall-Düren an die gesellschaftliche Verantwortung der WAZ-Gruppe. "Es kann nicht sein, dass Zeitungen wie Zitronen oder Blumenkohl auf dem Wochenmarkt gehandelt werden", rief ihr Kollege, Arbeitsminister Guntram Schneider.

Alter Markt in Dortmund: voll und voller Empörung
(Foto von der Facebook-Seite WRmussbleiben)
 Und wenn die Herren Verleger doch nur noch an Profit und nicht mehr ans Zeitungmachen denken? Dann sind ihre Privilegen wie finanzielle Vorteile (niedrige Mehrwertsteuer) und rechtliche Bevorzugung als Arbeitgeber (Tendenzschutz) auf den Prüfstand zu stellen - da waren sich viele Protestler einig.

Über 1000 Menschen nahmen am Samstag an der Protest-Demo gegen die Schließung der Redaktionen der Westfälischen Rundschau (betroffen: 120 angestellte und weit über 100 freie Journalistinnen und Journalisten). Bringt das was? "Wird nicht viel mehr als eine kräftige Erkältung bringen", schrieb mir vorher ein skeptischer Follower auf Twitter. Meine Antwort: "Bringt nichts? Doch.. Selbstachtung und Würde, Zusammenhalt als Mannschaft, Information und Solidarität der Öffentlichkeit."

"Es tut der Seele gut", meinte Volkmar Kah, stellvertretener DJV-Landesvorsitzender, hinterher.

Foto: DJV/Anja Cord
"Dieser Zuspruch durch Leser, Bürger, Presse und Politiker ist einfach klasse“, freute sich auch die Geschäftsführerin des DJV-NRW, Dr. Anja Zimmer. Das mache Mut für weitere Aktionen und gebe in dieser katastrophalen Situation vor allem den betroffenen WR-Mitarbeitern enormen Rückhalt: „Der Protest heute zeigt, dass den Menschen ihre Lokalzeitung nicht egal ist und dass sie Qualität und Vielfalt in der Berichterstattung wollen."

Im Blog Ruhrbarone wird die Rede von Martin Kaysh dokumentiert, dem Steiger beim "Geierabend". Er sagte u.a.:

Martin Kaysh in der Hauptrolle
beim DJV-Straßentheater (mit
Sandra Schmitz und Jutta Koster)
"Ab dem ersten Februar beginnt jeder Tag mit einer Lüge. Einer Lüge, 100 000 fach gedruckt. Morgens am Frühstückstisch musst du dafür die Zeitung gar nicht erst aufschlagen. Du musst sie nur zur Hand nehmen. „Westfälische Rundschau“ wird da stehen, oben auf der ersten Seite. Aber dann kommt Irgendwas. Zusammengekauft, zusammengeklaubt und zusammengekloppt.

Die Vernichtung der WR ist ein Angriff. Sie ist ein Angriff einer unfähigen Verlegerfamilie aus Essen auf uns alle – in Dortmund, in Lünen, in Schwerte. Im Sauer- und im Siegerland. Mit einem absurden Produkt. Clausthaler hat das Bier ohne Alkohol erfunden. Schalke den Fußball ohne Meisterschaft und die WAZ-Familie erfindet gerade die Zeitung ohne Redaktion."

Foto: DJV/Anja Cord
Wie man sich in Dortmund eine künftige "Westfälische Rundschau" bastelt, zeigt ein dju-Video. Hier klicken:  http://youtu.be/R37AIZScmxE

Wolfgang Grebenhof vom DJV-Bundesvorstand betonte, in seiner Rede: „Wir haben eine Verlegerkrise – und keine Zeitungskrise.“ An Inhalten zu sparen sei "ein absurd falscher Weg“. Die WAZ-Führung füge der gesamten Branche schweren Schaden zu. Grebenhof: „Kommen Sie zur Vernunft, revidieren Sie den Verrat an der WR – wir werden dafür kämpfen.“

„Wir sehen hier das eklatanteste Versagen eines Managements“, urteilt der DJV-NRW-Landesvorsitzende Helmut Dahlmann, „auf die Spitze getrieben noch dadurch, dass den Mitarbeitern die sogenannte lokale Offensive als Neuanfang verkauft wurde.“

Betriebsrat Uwe Tonscheid freute sich über die Unterstützung. "Es tut den Beschäftigen und dem Betriebsrat gut, dass so viele tausend Menschen mit uns solidarisch stehen. Danke." Und er forderte: "Es darf nicht sein, dass hier ein Präzedenzfall verlegerischer Verantwortungslosigkeit geschaffen wird."

Auf revierpassagen kommentiert Bernd Berke: "Es war auch nicht nur ein Trauerzug. Denn gleichzeitig war da eine Stimmung des Aufbegehrens. Selbst wenn die WAZ-Gewaltigen ihre Entscheidung kaum revidieren dürften, hatte die Veranstaltung ihren Sinn. Denn schon aus blanker Selbstachtung und aus demokratischer Verantwortung muss man mit diesem Verlagsskandal an die breite Öffentlichkeit gehen und die Leser aufklären."