Sonntag, 16. April 2017

Ein Tach ist zu wenig

Paul setzte sich mit Schwung zu uns an den Stammtisch: „Na, ihr Feinde des Volkes!“ Wir grüßten fröhlich zurück: „Hey, Du Lügner und Spion!“ In Zeiten von Präsident-Azubi Trump und Möchtegern-Sultan Erdogan ist ein lapidares „Tach, Kollegen“ unter Journalisten eindeutig zu wenig.

Karikatur: Karlheinz Stannies
Neuerdings erzählten wir uns zu Beginn die schönsten Fake-Klopper des Tages. Patrick fing an: „Trump begrüßt eine Frau, twittert begeistert: I can grab them by the hand, too. So great!“ Karo legte nach: „Persönlich ausgezählt: Erdogan toppt Schulz – 101 Prozent für seine Präsidialmacht. Und die anderen 60 Prozent sind ungültig im Gefängnis.“ Mannis Schlagzeile hieß: „Sender und Verlage wollen Freie besser behandeln.“ Unterzeile: „Der Verlegerverband unterschreibt Vergütungsregeln – und will sich sogar daran halten.“

Jetzt konnten wir wirklich nicht mehr vor Lachen. Aber es blieb im Hals stecken. „Ich hab's nie gekapiert“, sagte Jutta, „die schließen einen Vertrag, halten sich aber nicht dran, solange sie ihre Leute erpressen können – und wenn dann Klagen einfacher werden, kündigen sie die Regeln. Was sind das für Menschen?“ Wir stöhnten eine Antwort, die nicht druckreif war. Timo meinte: „Das Gruselige ist, sie werden auch noch geachtet – von der Bundespolitik bis runter zum Golfklub vor Ort.“

Wir Journalisten werden dagegen missachtet. Das bekamen wir alle zu spüren, im Betrieb und draußen. Das muss sich ändern. „Digital oder Print, schnick oder schnack: Guter Journalismus zählt“, predigte Gerda. „Es geht um die Wahrheit, wir sind die Faktenchecker. Wir müssen mehr Menschen unsere alten Tugenden klarmachen.“ Ja, aber wie? „Die Kampagne könnte 'Wahres ist Rares' heißen“, meinte Rita und hatte wohl diese Fernsehshow im Sinn, bei der alte Sachen wertgeschätzt werden. Kevin grinste: „Und als Online-Version mit Paywall nennen wir sie: Bares für Wahres.“

Apropos Online. Karsten wollte schon nach Hause. „Frühschicht im Netz. Ihr wisst ja: Der frühe Vogel fängt den Wurm!“ Marion zwinkerte ihm zu: „Ja, aber: Der späte Vogel tanzt abends mit der Schnecke.“


Freitag, 7. April 2017

Wieder Ruhr Nachrichten - breiter grinsend

Hier geht's gleich nochmal um die Ruhr Nachrichten (RN), die im Dortmunder Medienhaus Lensing-Wolff erscheinen. Diesmal mit noch viiiiiel breiterem Grinsen als bei der Chefredakteur-Schwemme. Grund: Der ohnehin tarifscheue Verlag muss einem Freien Journalisten rund 45.000 Euro Honorar nachzahlen - mehr als das Jahresgehalt eines RN-Redakteurs. Drei Jahre lang hatte der Regionalverlag die Prozess-Niederlage abwenden wollen, zuletzt sogar den Bundesgerichtshof angerufen. Die ganze Geschichte steht bei meedia.
Der noble Herr Vize-Präsident der Zeitungsverleger in NRW hatte die mit dem BDZV auch für seinen Verband ausgehandelten gemeinsamen Vergütungsregeln frechweg missmachtet - und einfach weniger bezahlt. Schlechtes Vorbild, könnte man sagen. Allerdings machten es leider ohnehin viele, viele Verleger ebenso.
Hach, was haben die Verleger ihre Blockade-Haltung bei den
Vergütungsregeln genossen. (Karikatur: Karlheinz Stannies)
In einer perfekten Welt hätte "Freemann" weniger
Probleme, sich beim Auftraggeber durchzusetzen
Was den Gutsherren in den Medienhäusern besonders gut gefiel: Jeder Freie Journalist, der sich auf die vereinbarten Vergütungsregeln - ohnehin nicht üppig - berufen wollte, musste höchstpersönlich bei ihnen antreten und bitte-bitte machen - oder auf eigene Kappe klagen. Wer kann sich schon sowas leisten gegen den oft einzigen Auftraggeber am Ort?
Sie wähnten sich also ziemlich sicher, die Honorar-Missachter. Aber: Hier und da klagte dann doch ein Freier Journalist. Der Landesverband NRW des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV NRW) gab nicht nur Rechtsschutz, sondern im Bedarfsfall auch Kredite - zum Überleben während der Klage-Zeit. Mehrere Verlage wurden bereits zu Nachzahlungen verdonnert.
Gleichzeitig versuchten der DJV und andere, die Politik dazu zu bringen, ein Verbandsklagerecht einzuführen, damit sich nicht jeder Freie einzeln wehren muss. Jetzt liefert der Gesetzgeber - und was tun die Verleger? Der BDZV kündigte die Vergütungsregeln. "Ein Affront gegen die Freien", schimpfte DJV-Chef Frank Überall, siehe hier.



Dienstag, 4. April 2017

Vier Chefredakteure - noch ohne CWO

Die Dortmunder Ruhr-Nachrichten - ein Medienhaus, das Tarife fürchtet und auch schon mal Redaktionen schließt - haben bald vier Chefredakteure, meldete kress. Da gibt es neben dem Chief Structure & Strategie Officer (CSO) und dem Chief Corporate Publishing (CCP) bald den Chief Content Officer (CCO) und den Chief Digital Officer (CDO).

Mal abgesehen davon, dass es keine Chiefin gibt: Die Verdoppelung von zwei auf vier Chefredakteure und ihre Spezialisierung auf Aufgabengebiete wurde auch höchste Zeit. Verleger Lambert Lensing-Wolff will damit den "vielfältigen Anforderungen in der digitalisierten Medienwelt" begegnen und "Qualität und Geschwindigkeit auch in der Führung einer Redaktion" erhöhen. Sehr lobenswert.

Das Wörtchen "auch" irritiert mich allerdings noch ein wenig. Wahrscheinlich habe ich die Meldung verpasst, dass zur Sicherung von Qualität und Geschwindigkeit die Lokal- und anderen Redaktionen in dem Medienhaus personell verdoppelt wurden. Falls noch nicht geschehen, wird dieser notwendige Schritt bestimmt bald verkündet. Und beim nächsten Aufplustern der Chefredaktion ist dann sicher auch eine Frau dabei - als CWO, Chief Woman Officer.