Freitag, 23. Oktober 2015

Ziehen Sie das Geld Ihrer Mitarbeiter ein

Karikatur: Karlheinz Stannies
"Machen Sie sich ruhig unbeliebt bei Ihren Leuten. Vertrauen und gutes Betriebsklima werden überschätzt." Es scheint, diese fiktive Aktionskarte beim erfundenen Medienopoly gibt es wirklich. Immer mehr Medienmanager nehmen überhaupt keine Rücksicht mehr auf ihre Leute. Sie pfeifen auf Journalistinnen und Journalisten. Egal ob frei oder fest, jung oder alt, print oder online.

Jüngstes Beispiel: Der Berliner "Tagesspiegel" will wegen Anzeigenrückgängen einen "kleinen sechsstelligen Betrag" (so der Betriebsrat) einsparen. siehe hier. Was fällt einem deutschen Medienmanager in so einer Situation ein? Richtig: das kleine Managerhandbuch, Seite 34. Was da steht, machen alle: Sparen Sie zuerst bei denen, die sich am wenigsten wehren können.

Und das sind beim "Tagesspiegel", wie leider so oft und fast überall, die Freien Journalisten. Ihnen wurde gesagt: Ab sofort gibt's keine Aufträge mehr, mindestens bis zum Jahresende. Ein Tiefschlag für Freie, die ohnehin von den Honoraren (wenn denn überhaupt faire gezahlt werden!) meist kaum leben können und als Freiberufler alle Risiken tragen. Da dürfte in einigen Berliner Familien Weihnachten gestrichen sein. Man möchte hoffen, dass alle Freien neue Auftraggeber finden - und dem unfairen und unzuverlässigen "Tagesspiegel" zu Jahresbeginn die LmaA-Absage-Quittung verpassen.

"Den freien Mitarbeitern das wirtschaftliche Risiko des Verlags aufzubürden, ist weder moralisch zu rechtfertigen noch rechtlich hinnehmbar", schimpft DJV-Vorsitzender Michael Konken. Und Alexander Fritsch vom DJV-Journalistenverband Berlin-Brandenburg ergänzt: "Ohne freie Autoren ist eine Qualitätszeitung nicht zu machen." Was der "Tagesspiegel" mache, sei ein "Kettensägenmassaker am eigenen Ruf", siehe hier.

Mit der einfältigen Streich-Idee auf Kosten von Journalistinnen und Journalisten steht der "Tagesspiegel" leider überhaupt nicht allein. Landauf landab kreist der Rotstift in den Abteilungen, die das Produkt "machen". Selbst vor dem Tarif, also dem zwischen Verlegerverbänden und Gewerkschaften oft mühsam ausgehandelten Mindeststandard der Branche, machen die Manager nicht Halt. Kann man Geringschätzung deutlicher machen? Tarifflucht ist allerdings nur eine Variante. Die Liste der Trickser und Umgeher, die der DJV führt, wird immer länger und länger, siehe hier.

Donnerstag, 22. Oktober 2015

Frauen und Männer in der Redaktion

Es gibt halt doch Unterschiede... Sie verstehen, warum ich Twitter so mag?


Dienstag, 20. Oktober 2015

Spielchen im Rotstift-Milieu

Wir waren mitten im Spiel. Plötzlich fragte Frank quer über den Stammtisch: „Habt ihr das auch gelesen? In England zahlt Lidl jetzt den Mitarbeitern freiwillig höhere Löhne, nur um dem Konkurrenten Aldi eins auszuwischen.“ Ein interessanter Ansatz, fanden wir: In die Belegschaft investieren. Mehr Geld motiviert, lockt die besseren Leute an. „Das könnten unsere Medienhäuser auch mal probieren“, fand Helene.

Wir waren leicht abzulenken, der Faden wurde sofort weitergesponnen: Transfermarkt für Journalisten – hohe Ablösesummen für echte Lokal-Experten und Edelfedern – Bleibe-Prämien für zigmediale Wollmilchsäue – fette Honorar-Handgelder für alle Freie – Wechselfenster in der Saure-Gurken-Zeit...

Helene blieb cool: „Hört auf. Die Verleger haben doch ihre soziale Verantwortung verlegt. Und ihre Manager kommen fast nur noch aus dem Rotstift-Milieu.“

„Apropos“, holte uns Manfred wieder zum Lieblingsspiel des Stammtischs zurück: Medienhaus-Scharade. Ein Ratespiel mit bitterem Hintergrund, bei dem uns leider seit langem die Beispiele für Arbeitgeber-Zumutungen nicht ausgingen. Manfred ließ eine imaginäre Spendenbüchse herumgehen. „Gebt, gebt“, schüttelte er die Hand. „Mein Medienhaus ist so bitter bitter arm, wegen der vielen Sozialpläne.“ Wir grinsten: Funke.

Benedikt reichte einen Kuli und einen Zettel herum: „Unterschreibt! Für die Auflage! Abonniert endlich Eure einen Blätter. Das wird doch vom inzwischen tariflosen Gehalt noch drin sein...“ Wir prusteten: Aschendorff.

Dann war Kurt an der Reihe. Er pantomimte einen rennenden Mann, die Hand vor den Augen: „Ich mach's, weil's alle machen.“ Wir lächelten wissend: Bauer, auf Tarifflucht.

Als Alfred dran war, sammelte er unsere Bierdeckel ein und legte sie auf einen Haufen – natürlich nicht ohne ein paar davon auszusortieren. Wir rätselten: Okay, Redaktionsfusionen, Zentralredaktion. Aber wer? Schon wieder Funke? Alfred hob die Handkante zum Gruß, an die falsche Schläfe: „Tätääää“. Wir lachten laut: DuMont. Und dann wurde geschunkelt. Genug für heute.


Donnerstag, 15. Oktober 2015

Dorftrottel - der Ruf der Lokaljournalisten

Ralf Heimann
Einer seiner Tweets löste
übrigens 2010 den
Blumenkübel-Hype aus
Man muss sich wohl (auch für ihn) freuen, dass er vor anderthalb Jahren die Münstersche Zeitung verließ. Die ist inzwischen - nach dem Wechsel vom Dauer-Tarifflüchter Lensing an den Neu-Tarifflüchter Aschendorff - sowas wie ein lokales Zombie-Blatt. Ralf Heimann jedenfalls hat sich seit seinem Abgang als freier Journalist und Buchautor  (u.a. Perlen des Journalismus) einen Namen gemacht. In seinem Blog Operation Harakiri hat er mal wieder über Lokaljournalisten und den Lokaljournalismus geschrieben: Das Primat des Weglassens. Viele Kolleginnen und Kollegen in den Lokalredaktionen werden sich verstanden fühlen. Deshalb freue ich mich, den Text auch hier verwenden zu dürfen, proudly presented:

Von RALF HEIMANN

Joachim Widmann hat keine große Lust auf lahmen Lokaljournalismus. Geht mir auch so. Das klang hier sicher schon mal durch. Ich habe hier ja auch schon öfter erklärt, was mich so stört. Joachim Widmann hat das jetzt in Form der zehn Gebote des Lokaljournalismus getan. So steht es über seinem Text auf kress.de. Und das wäre eigentlich ein guter Grund gewesen, den Text nicht zu lesen. Aber weil ich so neugierig bin, habe ich dann doch die ersten Absätze überflogen, und da steht, dass die Form nicht ganz ernst gemeint ist. Das hat mich etwas beruhigt.
 
Jedenfalls Folgendes: Im Prinzip bin ich Widmanns Meinung. Jetzt wiederhole ich mich schon im zweiten Absatz. Aber genau das ist der Punkt. Sobald man das Wort “Lokaljournalismus” zusammen mit den Wörtern “Thesen” oder “Zukunft” liest, ahnt man: Jetzt kommt gleich wieder die Sache mit der kritischen Haltung, den Anzeigenkunden und der Unabhängigkeit.
 
Als Lokaljournalist sitzt man dann entweder da und fühlt sich nicht angesprochen, weil man denkt: Gut, im Prinzip ist das so. Aber bei uns hier in der Stadt läuft das alles ein bisschen anders.
 
Oder aber man würde gern etwas ändern und fragt sich, wie man das auf die Schnelle machen soll. Wenn man den Leuten im Schützenverein erzählt, wir machen jetzt ab morgen alles anders, kritisch und so, werden die das zur Kenntnis nehmen. Aber sobald man die Tür hinter sich zugeschlagen hat, lachen die sich tot.
 
Die ganze Kultur ist versaut. Das kann ein Einzelner nur sehr schwer ändern.
Zu Gebot eins und zwei: Verlautbarungen.
 
Ich vermute mal, dass es in den meisten Lokalredaktionen eher nicht so ist, dass man sich morgens fragt: Pressekonferenz. Gut, den ganz normalen Scheiß wie immer? Oder machen wir ein Porträt mit Reportage-Elementen?
 
Allein an dieser einen Veranstaltungsform Pressekonferenz hängt ein ganzer Anhänger voll mit Problemen.
 
Die Frage „Gehen wir da überhaupt hin?“ wird oft gar nicht gestellt, weil schon das Wort Pressekonferenz einen so offiziellen Charakter verbreitet, dass kein Redakteur sich traut, einfach mal zu sagen: Das sparen wir uns. Je kleiner das Dorf, desto größer das Problem.
 
Das verstehen natürlich auch Parteien und Vereine, und sobald sich dieses Wissen verbreitet hat, führt das dazu, dass freitagsmorgens oft zeitgleich fünf Pressekonferenzen stattfinden, weil alles am Samstag in die Zeitung soll, die Redaktion zu Pressekonferenzen garantiert jemanden schickt – und wenn sie jemanden geschickt hat, immer auch schreibt.
 
Nun aber zu dem Problem, das Widmann kritisiert. Üblich ist, dass nach der Pressekonferenz einfach all das aufgeschrieben wird, was die Offiziellen zu berichten hatten. Und wenn man nachher Artikel und Pressemitteilung nebeneinanderlegt, entsteht manchmal der Eindruck, dass der Journalist seine Aufgabe vor allem darin gesehen hat, den Text der Pressestelle möglichst kunstvoll zu paraphrasieren.
 
Ich habe das auch schon gemacht. Und während ich das tat, war mir bewusst, dass das nicht gut ist. Aber die Alternative in diesem Moment war nicht: Pressemitteilung wegwerfen und selbst eine fundierte Analyse schreiben. Dazu bräuchte man ja erst mal so etwas wie Ahnung. Und um sich die anzueignen, braucht man ein bisschen mehr Zeit als die viereinhalb Minuten, die für den Wikipedia-Artikel draufgehen.
 
Diese Zeit ist aber gar nicht eingeplant. Und hier käme jetzt meine Gegenthese: Das Meiste, was Joachim Widmann fordert, lässt sich so gar nicht umsetzen, wenn nicht mal irgendwer anfängt, in Lokalredaktionen das Gerücht zu kolportieren, dass auch Recherchezeit Arbeitszeit ist.
 
Tatsächlich ist es eher so,

Donnerstag, 8. Oktober 2015

Übrigens... dickes Lob von Funke

Poster vor der Funke-Zentrale
Foto: Karlheinz Stannies
Kein Funke Anstand! Die kleine Plakataktion des DJV NRW, über die ich hier kurz berichtet hatte (und vorher hier), ist einen Nachtrag wert. Sie wurde nicht nur von den Kolleginnen und Kollegen, sondern bis in die Chefränge der Funke-Mediengruppe hinein beachtet.

Die karikierten Herren Geschäftsführer Michael Wüller und Manfred Braun gingen sogar in ihrer üblichen Freitagsmail an die Mitarbeiter darauf ein. Wobei sie allerdings den eigentlichen Vorwurf in Sachen Sozialplan gar nicht erst erwähnten; sie betonten, man habe wohl inzwischen für "nahezu alle" Betroffenen am für Berlin geschlossenen Essener Zentraltisch eine Lösung gefunden. Was einerseits gut und andererseits ja wohl auch oder eher der Hartnäckigkeit der Betriebsräte zuzuschreiben ist (die in der Dankes-Aufzählung anscheinend in der Eile vergessen wurden). Ist doch ein kleiner Funke Anstand vorhanden? Das wird, soweit ich weiß, das nächste JOURNAL des DJV NRW fragen. Mit der Feststellung in der Unterzeile: Nach Monaten der Konfrontation zeige man sich "erstmals bemüht". In guten Zeugnissen wird zwar anders formuliert, aber immerhin.

D
ie Plakat-Aktion selbst empfanden Wüller und Braun übrigens als "Empörungsritual der siebziger Jahre". Nunja, damals wäre allerdings eine solche Empörung angesichts einer ganz anderen Wertschätzung von Mitarbeiterführung und Journalismus kaum nötig gewesen. Immerhin erklärten sie noch: "Die Zeichnung von uns beiden fanden wir aber gar nicht mal schlecht" - und übernahmen den entsprechenden Karikatur-Ausschnitt in die Freitagsmail. Wenn das mal kein Lob ist! Ich nehme noch Aufträge entgegen, meine Herren...
***
Karikatur: Karlheinz Stannies
Übrigens, Abteilung Selbstlob, fand ich meine Strich-Köpfe von Christian Nienhaus und Bodo Bombach damals auch ganz gut gelungen. Damals, nachdem sie aus angeblicher Not das Modell WAZ (journalistisch eigenständige Zeitungen nebeneinander) aushöhlten, Hunderte von Journalisten-Jobs abbauten, dutzendfach Redaktionen schlossen und aus der Westfälischen Rundschau eine Zombie-Zeitung machten. Später wurden die beiden vom Sockel gestoßen, natürlich nicht ohne viel Lobpreisung. Ich schmunzele heute noch über copy and paste - und werde die gelungenen Köpfe von Braun und Wüller womöglich auch nochmal brauchen...


Karikatur: Karlheinz Stannies

Samstag, 3. Oktober 2015

Putin und die Zeichner

Karikatur: Berndt A. Skott
Was macht Putin in Syrien? Assad helfen - da sind sich viele sicher. Auch Karikaturist Berndt A. Skott (oben), der jede Menge Faßbomben gegen die Opposition aufs Flugzeug lud. Sein Kollege Heiko Sakurai (unten) ahnte, wie Merkel & Co auf das Okay des russischen Parlaments für Militäreinsätze im Ausland reagiert haben müssen. Beide Karikaturen: proudly presented.


Karikatur: Heiko Sakurai

Übrigens...

... ist es ganz schön, sich selbst mal im Einsatz zu sehen: Der DJV NRW hat eine meiner Karikaturen zur Grundlage für ein Citylight-Poster gemacht. Ich habe die Zeichnung ein klein wenig angepasst (Geldsack hier, Daumen hoch da) - und jetzt prangt sie für ein paar Tage an zwei Standorten direkt vor dem Sitz der Funke-Mediengruppe. Kernvorwurf der Gewerkschaft: "Kein Funke Anstand", weil das Medienhaus einen ordentlichen Sozialplan verweigerte, siehe auch hier.


Foto: Karlheinz Stannies