Dienstag, 28. Oktober 2014

Journalismus: Chancen, Risiken, Nebenwirkungen

Andreas K. Bittner, DJV
Schatzmeister bei der EJF
(bei Twitter der @qwasi)
"Die Zukunft des Journalismus kann von einer neuen Journalistengeneration profitieren, die die neuen Technologien annimmt, neue Wege des Denkens erschließt und Journalismus unternimmt. Journalistenorganisationen müssen diese neuen Gelegenheiten beim Schopf ergreifen und sie zu ihrem Vorteil nutzen, um die Bedrohungen, die Herausforderungen, die vor ihnen liegen, zu meistern."

Diese Sätze stammen aus einer Studie, die Andreas K. Bittner für die  European Federation of Journalists (EJF) geschrieben hat. Andreas ist, wenn er sich selbst beschreibt: "Freier Journalist, Westfale, Borusse". All das macht ihn sympathisch. Er war Schatzmeister im Bundesvorstand des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) und engagiert sich bei der EJF, der größten Journalistenorganisation in Europa. Andreas K. Bittner stellt hier kurz vor, worum es in der Studie geht und warum man sie lesen sollte, proudly presented:
 

Von ANDREAS K. BITTNER

Nach 2011 hat die EJF nun eine zweite, großangelegte Studie veröffentlicht, die sich mit dem Journalistenberuf – seinen Chancen, Risiken und Nebenwirkungen – sowie dem Wandel in der Medienbranche beschäftigt. Hieß es vor drei Jahren noch schlicht „Managing Change in Journalism“, wurden in der aktuellen Untersuchung „Finanzierungs- und Beschäftigungsmodelle im Journalismus“ thematisiert.

Die Ausgangsfrage: Zukunftsangst, Technologiephobie und Pessimismus - sind das wirklich die vorherrschenden Befindlichkeiten in der Medienbranche und von Journalistengewerkschaften? Wo sind und wer vor allem bringt frische Impulse? Was ist mit der oft beschworenen digitalen Aufbruchsstimmung?

Im Rahmen des EU-Projekts “Confronting Austerity: Financial and Employment Models for Journalism” hat die EJF eine Bestandsaufnahme unter 62 europäischen Mitgliedsorganisationen gemacht. Im Mittelpunkt des Berichts stehen die Herausforderungen, mit denen Gewerkschaften und Berufsverbände im Medienbereich angesichts anhaltender Kürzungen und Sparmaßnahmen sowie dem rapiden Medienwandel konfrontiert sind. Mit welchen Strategien, Finanzierungs- und Beschäftigungsmodellen im Journalismus versuchen sie, die Krise zu bewältigen?

Klar ist: Gewerkschaften und Berufsverbände müssen sich offensiver zu ihrer Rolle als Dienstleister und Agent of Change bekennen. Noch verteidigen sie sehr stark ihre gewachsene Rolle, die alte Spartenstruktur, sind zu häufig besitzstandswahrend und zu selten innovativ – mit dem Mut, mit neuen Projekten auch mal zu scheitern.

Trotzdem überwiegen Neugier, Experimentierfreude und Bereitschaft zur Innovation inzwischen. Weniger Lamentieren, mehr Bereitschaft zur konstruktiven Umsetzung. Der Wandel ist in den Köpfen der Journalisten und in den meisten Verbänden (beinahe) angekommen.

Realisten oder Nostalgiker?

Dem amerikanischen Autor, Berater und Beobachter der Digitalen Medien Clay Shirky verdanken wir folgende Beobachtung (Kampfansage?): The most important fight in journalism today isn’t between short vs. long-form publications, or fast vs. thorough newsrooms, or even incumbents vs. start-ups. The most important fight is between realists and nostalgists.

Es ist interessant, zu verfolgen, wie gerade Nostalgiker sich gegen diese Zuschreibung wehren. Sie möchten als Traditionsbewahrer, als behutsame Agenten des Wandels, als Hüter kultureller Werte gesehen werden. Das macht sie tatsächlich nicht zu Realisten; aber wahrscheinlich ist Nostalgie die Phase, die nach der Krise kommt?

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Hauptprobleme sind laut Studie der grassierende Jobabbau und die zunehmend prekäre Situation der Freien. Beides sollte im Fokus der Arbeit der Journalisten-Organisationen stehen.

Die Lektüre der Studie, an der 42 Organisationen aus ganz Europa teilnahmen, lohnt sich in jedem Fall. Sie kann als PDF auf Englisch, Französisch und Deutsch kostenlos heruntergeladen werden.


Die EFJ repräsentiert über 320.000 Journalistinnen und Journalisten. Ihre Mitglieder sind Gewerkschaften und Berufsverbände aus 40 Ländern. Europa – im Sinne der EFJ-Arbeit – ist nicht nur der Euro-Raum oder die Europäische Union. Die EJF bezieht – sinnvollerweise – alle Länder ein, die im Europarat (Council of Europe, CoE) Mitglied sind. Also etwa die Türkei, Island, Russland oder Georgien. Die EJF wurde 1994 – unter anderem auf Initiative des Deutschen Journalisten-Verband (DJV) gegründet – und hat seit Februar 2013 den Status einer eigenständigen Non-Profit-Organisation mit Sitz in Brüssel. Sie setzt sich für die sozialen und beruflichen Interessen von Journalisten und Medienschaffenden ein, beobachtet die Politik der Europäischen Institutionen und lobbyiert diese im Sinne von Gewerkschaften und Journalismus. Wichtige Leitschnur ist Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (PDF), der die Meinungsfreiheit und das Recht auf freien Informationszugang garantiert.