Montag, 7. Juli 2014

Troll-Alarm in Leser-Foren

Manche dachten: Man braucht nur das Internet, also die breite Vernetzungsmöglichkeit untereinander, und schon wird die Welt besser. Mehr Teilhabe und Diskussion, mehr Wissen und Verständnis, mehr Meinungsfreiheit und Demokratie, kurz: mehr Friede, Freude und Eierkuchen. Und das ist ja auch so, zumindest in guten Ansätzen. Ja, da hatten die Internet-Gurus schon Recht. Inzwischen weiß man aber auch: Die Propheten haben nicht alles erwähnt. Oder nicht alles bedacht: Das Internet fördert nicht nur die guten Dinge. Es ermöglicht totale Überwachung, Mobbing und Hasspredigten, zu oft ohne Folgen für den Bösewicht. Und es gebiert Trolle.


Troll-Alarm
Karikatur: Karlheinz Stannies
Trolle finden sich überall, wo im Netz diskutiert wird; vor allem dort natürlich, wo dies weitgehend anonymisiert geschieht. Trolle gibt es auch in den Leserforen von Online-Medien. Journalismus muss mit den Lesern, Sehern, Hörern in einen schnellen und direkten Dialog treten - darüber sind sich heute alle einig. Das klappt auch. Aber diese Foren sind einladende Spielwiesen für Trolle. Sie verpesten dort grinsend die Diskussion, verschrecken andere. Und die Winz-Redaktionen kommen mit dem Löschen kaum noch nach.

Stefan Plöchinger von der Süddeutschen findet nun: "Wir haben einen Fehler im System. Nämlich in den Foren der Meinungsseiten. Wir müssen den Leserdialog neu denken." Sein Blogbeitrag Besser reden mit unseren Lesern stößt eine überfällige Diskussion an. Plöchinger will "mit der Foren-Strategie der meisten Nachrichtenseiten ins Gericht gehen: Warum schaffen wir und andere es kaum, gutwillige Diskutanten vor böswilligen zu schützen? Was tun gegen schlechte Stimmung und für bessere Leserbeteiligung?"

Plöchinger nennt die Trolle gern Pöbler. Und fürchtet, dass in jedem von uns einer stecken könnte. Weil die Firnis der Zivilisiertheit halt so dünn ist. Und wenn man dann, unerkannt und ungesehen, die Sau rauslassen kann: Online-Enthemmung.

Der SZ-Mann kommt aber auch zu praktischen Dingen: Warum zu jedem Thema debattieren lassen? Wären stattdessen reine Debatten-Foren besser, die auch gezielter zu moderieren wären? Plöchinger und seine Kolleginnen und Kollegen denken über neue Arten von Leserdialogen nach. Mit Salons für Streitkultur statt Kneipen mit Schreikultur, wie er schreibt. Ich kann nur sagen: Lesen Sie seine Anregungen, es lohnt sich.
***
Nachtrag:
Netzexperte Christoph Kappes meint dazu: Nein, man müsse Das Erbrochene betrachten. Und da ist sicher auch etwas dran. Natürlich ist jede Meinung wichtig. Ich halte nur eines dagegen: Es geht nicht um ungelenk formulierte oder unqualifizierte Meinungen oder einfach nur Unausgegorenes - es geht um durchdachte Verletzungen knapp an der Grenze zum Justiziablen und bewusst auf Debattenzerstörung angelegte Beiträge, oft nur so zum eigenen Spaß. Da sind meist eben nicht die Unerfahrenen und Ungelernten am Werk.

Noch 'n Nachtrag:
Lesen Sie bitte dazu auch Meine Tage im Hass von Andrea Diener im FAZ Feuilleton.