Donnerstag, 26. Juni 2014

Konkurrenz im Lokalen? Es war einmal...

In bester Gesellschaft - ich komme immer noch nicht darüber hinweg, siehe vorherigen Blogeintrag - kennt man anscheinend auch keine Konkurrenz mehr. An Beispielen gibt's keinen Mangel. Man denke etwa an die Funke-Gruppe mit WR und WAZ sowie die Ruhr-Nachrichten, die sich zur Freude der Leser lange um die Meinungsführerschaft in Dortmund stritten. Oder an die Funke-WAZ, die sich im Kreis Recklinghausen als Alternative zum Platzhirsch Medienhaus Bauer anbot. Alles Schnee von gestern.

Die Leser kriegen Einheitsbrei, egal für welche Lokalzeitung sie sich auch entscheiden. Presse- und Meinungsvielfalt adieu.


Karikatur: Karlheinz Stannies
Ähnliches plant die Westdeutsche Zeitung aus dem Hause Girardet: Sie will künftig u.a. die Inhalte einiger Lokalausgaben bei der Rheinischen Post bestellen. Auch Kölner Stadt-Anzeiger und Kölnische Rundschau kennen keinen Wettbewerb mehr: Sie gründen eine gemeinsame Redaktion, die Lokalausgaben der beiden Medienhäuser füllen soll.

Jetzt wollen auch die Rheinische Post und die NRZ aus dem Hauses Funke gemeinsame Sache machen und die Leser am Niederrhein, in Duisburg und Düsseldorf foppen. Mit Branding-Lokalredaktionen, die es innerhalb der Funke-Mediengruppe längst gibt. Das funktioniert so: Der jeweils größere Ex-Konkurrent liefert dem kleineren Ex-Konkurrenten die Lokalnachrichten zu; der Kleine beschäftigt, um den Schein zu wahren, eine Mini-Mannschaft, die den Fremdinhalt mit eigenen Duftmarken anreichert.

Bülend Ürük von newsroom.de kommentiert das Kuscheln am Niederrhein so: "In ihrem Bestreben, Tageszeitungen möglichst ohne lästige und kostspielige Journalisten zu veröffentlichen und dafür von Abonnenten und Anzeigenkunden teuer bezahlen zu lassen, hat die Funke Mediengruppe in der in Düsseldorf beheimateten Rheinischen Post Mediengruppe einen weiteren, gleichgesinnten Partner gefunden. Der letzte große Konkurrent im Verbreitungsgebiet der Funke Mediengruppe hat sich für eine Kooperation entschieden."

Lokales stärken, für eine Zukunft der Zeitungen? Pustekuchen!

 

Westfälische Nachrichten: Beste Gesellschaft?

"Wir befinden uns in allerbester Gesellschaft", sagte - wohl allen Ernstes - Norbert Tiemann, der Chefredakteur der Westfälischen Nachrichten in Münster, laut journalist-Artikel und meinte damit so ehrenwerte Verleger wie Helmut Heinen und Alfred Neven DuMont. Der Präsident und der Ehrenpräsident des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) stiegen kürzlich aus dem Flächentarif aus - mitten in der Tarifrunde, in der über dessen Sicherung gerungen wurde. Ist das wirklich allerbeste Gesellschaft? Jetzt wollen auch die Westfälischen Nachrichten ihren Redakteuren nicht einmal mehr die Mindeststandards der Branche bieten. Weniger Geld, weniger Freizeit sowie Personalabbau und andere Einsparungen sollen 1,3 Millionen Euro mehr auf dem Verlagskonto lassen. Der DJV NRW kritisiert den Tarif-Ausstieg als Aufkündigung der Sozialpartnerschaft, siehe hier, und bot dem WN-Verlag Aschendorff, der scheinbar unbedingt Geld sparen muss, Verhandlungen über einen befristeten Haustarif an.

Freitag, 20. Juni 2014

Heiko Sakurai stellt aus

Heiko Sakurai - wie er
sich selbst zeichnet
Einer meiner Lieblings-Karikaturisten, der Ex-Ruhrie und Köln-Imi Heiko Sakurai, stellt einen Teil seiner politischen St(r)ichelkunst aus - und zwar im Blücherturm in Essen-Rellinghausen, Am Stift 9. Eröffnet wird die Ausstellung morgen, Samstag, 21. Juni, und zwar um 12 Uhr mittags. Heiko Sakurai wird bis 15 Uhr anwesend sein. Wie ich den 43-Jährigen kenne, wird der supernette und vielfach ausgezeichnete Karikaturist dabei auch seine Bücher signieren. Hingehen und kaufen lohnt! Zumal, wenn Sie schon immer einen dieser Künstler unter den Journalisten kennenlernen wollten - die solche tollen Seitenhiebe zeichnen können, wie der von Conchita Merkel und Wladimir Putin unten - proudly presented.

Die Ausstellung im Blücherturm zeigt über 65 aktuelle Karikaturen und ist auch am Sonntag (22. Juni) sowie am 28. und 29. Juni geöffnet, an diesen drei Tagen jeweils von 15 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei. Der Blücherturm ist übrigens ein alter Gerichtsturm und denkmalgeschützt.

Karikatur: Heiko Sakurai

Donnerstag, 19. Juni 2014

Auf der Wortwalz - in den Lokaljournalismus

Andere suchen per Crowdfunding fast eine Million Euro, um weltbewegenden Journalismus zu finanzieren. Den sie unter der bestimmenden Knute der Werbetreibenden und unter den einengenden Arbeitsbedingungen eines Medienbetriebs für nicht machbar halten. Jessica Schober, Absolventin der Deutschen Journalistenschule und seitdem freie Journalistin in München, braucht 142 Euro für ein erstes Zugticket nach Norden.

Jessica Schober
Die Illustration stammt von Alper Özer.
Jessica ist mit ihrer Aktion
im Netz auf Twitter @wortwalz
sowie unter wortwalz zu finden.
Dort beginnt ihre Wortwalz. So nennt sie eine Art Gesellenwanderung, die sie machen möchte, und zwar durch den Lokaljournalismus in Deutschland. Ohne Handy, ohne Laptop und ohne Geld für weitere Fahrten oder Hotelzimmer. Ihr sympathisches Ziel: Sie will "zeigen, wie wertvoll das Handwerk Lokaljournalismus ist, und dass die Zukunft des Journalismus gerade im Lokalen liegt". Für Kost und Logis möchte sie bei Lokalredaktionen anheuern und deren Tricks und Arbeitsweisen kennen lernen. Denn: Journalismus ist Handwerk, man kann es lernen, aber man muss es vor allem in der Praxis ausprobieren, schreibt sie auf der Aktionsseite Wortwalz.

Dort wird sie auch berichten, was sie gemacht, erfahren und gelernt hat. Sie schreibt: "Ich will wissen, wie es Praktiker im ganzen Land tatsächlich handhaben. Will Erlerntes auf seine Anwendbarkeit testen. Wie geht Datenjournalismus lokal? Schon mal Storify für eine Landrecherche benutzt? Wie sieht die Leser-Blatt-Bindung eigentlich beim Westfalen Blatt aus?"

Man kann Jessica Schober unterstützen - finanziell und mit Tipps, welche Lokalredaktion sie unbedingt besuchen soll. Wie das geht, steht hier. Und so wirbt sie auf Youtube selbst für ihr Projekt:


Dienstag, 17. Juni 2014

Ohne Flächentarif...

Ohne Flächentarif - dann wäre die Abwärtsspirale bei Gehältern und Honoraren für Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen gar nicht mehr zu stoppen. Die Gewerkschaften dju und DJV stimmten deshalb einem besch...eidenen Tarifkompromiss zu, mit Bauchgrummeln und Zähneknirschen - siehe hier und hier. Auch wenn einige dusselige Verleger aus dem Norden und dem Rheinland trotz der gewerkschaftlichen Rücksicht die Tarifflucht ergreifen: Es geht nicht ohne Flächentarif. Sonst gäbe es, wenn überhaupt, nur noch Haustarife.

Karikatur: Karlheinz Stannies

P.S.: siehe auch Glosse: Zu viel life in der work Balance.

Zu viel life in der work balance

„Die haben alle noch zu viel life in ihrer work balance“, knötterte der Verlagsvertreter aus dem Norden. „Ist doch wahr: So ein Tag hat 24 Stunden – und arbeiten die Redakteure etwa 12 davon? Nein. Das ist keine Balance.“ Die anderen nickten. Obwohl sie dem Nord-Burschen selbst nicht über den Weg trauten. Aber die Medienmanager-Runde war stinksauer. Kümmerten sich diese Gewerkschaften eigentlich jemals um IHRE work-money-bilanz... äh... balance? Um die Reputation der Manager bei den Medien-Besitzern? Natürlich nicht. Statt an Rendite und Tantiemen dachten die mehr an die Leute – pah.

„Ich werde es so machen“, sagte der Nord-Mann. „Erst drohe ich, ohne handfeste Zugeständnisse steigen wir aus dem Tarif aus. Und wenn sie dann notgedrungen zu Kreuze gekrochen sind – tue ich es trotzdem.“ Er grinste: „So machen es erfolgreiche Erpresser. Habe ich mal im Krimi gesehen.“

Die Manager schauten ihn komisch an. Schwer zu sagen: Lag Bewunderung in ihren Blicken. Oder Ekel? Der Chefverhandler stöhnte auf: „Erst fallen mir unsere Präsidenten in der Rücken, weil sie mitten in den Verhandlungen aus dem Tarif aussteigen. Und dann noch sowas Hinterhältiges. Wollt ihr mich komplett unglaubwürdig machen?“ Seine Kollegen winkten ab: „Dann kaufen wir uns halt für die nächste Runde einen neuen Verhandler.“

Der Mann wankte aus dem Raum, zur nächsten Tarifrunde. Seine Balance war definitiv futsch. „Wer hat noch eine Streich-Idee?“ fragte der Gesichtsälteste im Raum. Drei Finger gingen hoch. „Mit welcher fangen wir an?“, fragte der Altgediente, „Ach, entscheiden wir es wie immer nach fachlichen Gesichtspunkten... mit Schnick-schnack-schnuck.“ Sie kicherten wie eine aufgekratzte Kita, während die Hände flogen.

So ungefähr stellten wir uns am Stammtisch die Sache vor. Unsere Geduld-Frust-Balance neigte sich bereits bedenklich.
 
 

Dienstag, 10. Juni 2014

Das Unwetter, die Bäume, die Kletterrose

Ich war einmal ein schöner großer,
verzweigter Baum...
Das Unwetter, mit wahnwitzigen Orkan-Böen, dauerte gut eine Viertelstunde. Danach sahen bei mir in der Ecke die Bäume anders aus. Manche lagen auf Hausdächern, auf Autos. Äste, Zweige, ganze Wipfel flogen durch die Luft; hier und da wurden sogar Bäume entwurzelt.

Ich hatte Glück: Ein Baum knickte auf das Hausdach, Keller liefen voll - beides aber jeweils auf der anderen Seite des Sechs-Familien-Hauses, in dem ich wohne. Glück gehabt. Auch am Auto: keine Beule. Einziger Totalverlust: ein Sonnenschirm, den ich immer als Sturzregenschutz einsetze, wenn das Wasser aus den oft blattverstopften Rinnen überläuft und wie ein Wasserfall direkt auf meinen Balkon platscht. Diesmal flog der Regen horizontal: Der Schirm ist hin.

Da ich aber immer alles auch positiv sehe: Mein Balkon, auf dem ich unter den lichtdurchfunkelten Blätterdächern mehrerer Bäume bisher sehr angenehm saß, kriegt künftig viel mehr Sonne ab. Weil das Unwetter jede Menge Löcher ins Blatt-Grün riss. Meine Kletterrose und die Kübelpflanzen werden es wohl lieben.

... und liege jetzt mit anderen hier, zwei Häuser weiter:
auf fünf Autos und dem Hausdach.

Samstag, 7. Juni 2014

Neues Medium, alte Probleme

Wann haben Sie das letzte Mal schallend gelacht? Bei mir war es, als ich kürzlich einen Beitrag des großen Twitter-Geschichtsprojekts 1914Tweets von Dirk @baranek und @christiansoeder über den Beginn einer Jahrhundertkatastrophe sah. Ich muss vorwegschicken: Kurz vorher hatte ich genüsslich die Formulierungen des Kollegen Niggemeier gelesen, der sich in seinem Blog, siehe hier, dem Kampf von Bild.de gegen Focus Online widmete. Ausgerechnet die Leistungsschutzfreunde von Springer mussten erleben, dass die Burda-Digitalen bei ihnen hinter der Bezahlschranke abschreiben, genauer: "klauen, klauen, klauen". Und während ich noch grinsend darüber nachdachte, ob die digitale Revolution eben auch neue Probleme schafft, da klickte ich den 1914Tweet mit dem unten gezeigten Anhang an - und musste schallend lachen.

Aus dem Berliner Tageblatt, 6. Juni 1914

Dienstag, 3. Juni 2014

Rente, Netz und Kickverständnisse


Jan Tomaschoff ist ein wunderbarer Karikaturist. Heute mal zum Beweis drei Zeichnungen der letzten Zeit - proudly presented. Der Düsseldorfer Zeichner und Psychiater ist berühmt und wurde oft ausgezeichnet - siehe hier. Warum ich Karikaturisten mag, hatte ich hier mal aufgeschrieben: Sie sind die Künstler unter den Journalisten.

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Karikaturen: Jan Tomaschoff