Montag, 29. Dezember 2014

Ausblick zum Jahreswechsel: Ein Medien-Tag 2015

09.13 Uhr: Im Springer-Verlag läuten die Alarmglocken. Soeben hatte Google einige Millionen überwiesen, mit dem Hinweis „Schutz“. Döpfner rief Keese an: „Ich wusste, wir kriegen die irgendwann klein. Bring' Schampus mit.“

10.46 Uhr: Beim Verlegerverband macht sich Ratlosigkeit breit. Die Manager hatten schon jede Menge Redaktionen geschlossen, Konkurrenz-Redaktionen zusammengelegt, Gehälter gekürzt, Print und Online mehrfach zusammengeführt und wieder getrennt, alles in tariflose Mini-GmbHs zerschlagen, Hunderte Journalisten entlassen, immer mehr Freie ausgenutzt, aus zusammengekauften Inhalten Zombie-Zeitungen erschaffen. Ihnen fällt nun einfach nichts Neues mehr ein.

11.14 Uhr: YouTuber mit Millionen Abonnenten stellen entsetzt fest: Auch ihre Vermarkter sind nur sowas wie Verlagsmanager.
 
12.31 Uhr: Undercover-Reporter-Treffen. Man vereinbart geheime Zeichen, um sich nicht ständig gegenseitig interviewen zu müssen. Zu peinlich sowas. Bei der Montagsdemo lungern deshalb später alle um die einzigen beiden Nicht-Journalisten herum und versuchen deren Unterhaltung aufzuschnappen. Aber die Geheimdienstler sagen partout nichts Verwertbares.

13.55 Uhr: Bei den Ruhr Nachrichten denkt Verleger-Sohn Lensing-Wolff über Sanierungsfusionen nach. Er durfte sich die fremde Westfälische Rundschau nicht unter den Nagel reißen – weil er zu stark war. Aber die eigene Münstersche Zeitung durfte er verscheuern – weil er zu schwach war. Ach, es war alles so kompliziert bei den Medien. Vielleicht sollte er doch mit dem Sohn vom Neven DuMont gemeinsam in Immobilien machen.

14.31 Uhr: Das Netz grübelt. Mehr Teilhabe, Wissen und Kultur für alle? Theoretisch und in Ansätzen ja. Aber: die Leute zocken viel lieber Spiele, saugen Filme und Musik oder chatten. Politik wird vom Sofa aus gemacht - per Hashtag und Online-Petition. Und dann vermiesen auch noch eigennützige Algorithmen der Netzkonzerne, Pöbeleien der Sowieso-Alles-Besserwisser und Total-Überwachung die Stimmung. Braucht man ein neues Netz?
 
16.05 Uhr: „Die Ausländer sind unser Untergang“, wettert in der Fremdenhass-Stadt ein Demonstrant ins Mikro. „Woher wissen Sie das?“ will der Interviewer wissen, „in Dresden gibt’s doch kaum Ausländer“. Der Mann mit der Glatze ringt nach Luft, immer diese blöden Rückfragen der systemgesteuerten Mainstream-Journalisten. „Liest man doch ständig“, blafft er schroff und stimmt in den dumpfen Gruppen-Singsang ein: „Lügenpresse, Lügenpresse“.

18.38 Uhr: Ernüchterung bei Springer. Google hat mitgeteilt, die millionenschwere Überweisung am Morgen sei ein Irrläufer gewesen. Es handele sich nicht um Leistungsschutzgeld, sondern um Schutzgeld an Hacker. Damit Google nicht derselbe Cyber-Terror passiert wie Sony. Döpfner nippt sinnierend am Schampus: Für Geschäftsmodelle im Internet hatte er schon immer einen Riecher.
 
 
 

Mittwoch, 24. Dezember 2014

Schlag auf Schlag: Schöne Festtage!

Das ist ruckzuck gegangen: Plötzlich ist Weihnachten. Allen Leserinnen und Lesern dieses Blogs deshalb jetzt mal schnell: gemütliche Feiertage! Die Zeichnung ist der Weihnachtsgruß, den Super-Karikaturist Berndt A. Skott verschickt - proudly presented:


Karikatur: Berndt A. Skott

Dienstag, 16. Dezember 2014

Die Lizenz zum Tarifeln

Es wurde mucksmäuschenstill im getäfelten Büro des Notars. Der Mann öffnete den Umschlag: „Wir kommen jetzt zur Verkündung, welche Gewerkschaft die größte ist im Betrieb.“ Der DJV hat zwölf Mitglieder, zählte er auf, die dju fünf. Wir schauten rüber zu den verdi-Kollegen. Wahrscheinlich würden wir wieder gemeinsame Sache machen in der Tarifrunde. „Aber“, sagte der Notar...

„...die neue Gewerkschaft der Boten hat 55 Mitglieder und darf somit als einzige hier im Betrieb einen Tarifvertrag abschließen.“ Wir schauten uns an. Die „Bringer“? So hatte sich die Boten-Gewerkschaft genannt, die sich kurz nach Inkrafttreten des Tarifeinheit-Gesetzes gegründet und für allgemein zuständig im Betrieb erklärt hatte. Schließlich war bei ihnen auch der Redaktionsbote organisiert.

Der Verlagsmanager grinste, sein Plan war aufgegangen: Erst die tariflose Auslagerung aller anderen Abteilungen, bis die Mehrheit feststand, jetzt Verhandlungen nur mit den Boten. Klasse, kein Journalismus-Geschwafel mehr. Danke, Frau Nahles, für diese Art der Tarifeinheit.

Der Notar überreichte den „Bringern“ die Lizenz zum Tarifeln. Uns drückte er die obligatorische Einladung in die Hand: einmal Kaffeetrinken mit dem Arbeitgeber. Aber er muss zuhören, hatte die Ministerin ihre Reform bejubelt.

Wir schlichen bedröppelt aus der Kanzlei. Auch in anderen Medienhäusern gab es neue Gewerkschaften. Bei der Frauenzeitschrift Birgit zum Beispiel wurden alle rausgeworfen, damit die verbleibenden Chefs die Mehrheit hatten. Sie tauften ihre Gewerkschaft „Das Rückgrat“. Jedenfalls bis herauskam, dass sie keins hatten.

Es gab auch Medienhäuser, die die Gewerkschaften gleich ganz rauswarfen. Ein Verlag hatte gerade seine Redaktion vor die Wahl gestellt: Tariflose Billig-Verträge oder Kündigungen. Ach, und wenn ihr gewerkschaftliche Hilfe holt, feuern wir erst recht. Überzeugende Argumente. Aus einer vergangenen Zeit, die die Gutsherrn wohl zurücksehnten. Uns fröstelte.

Samstag, 13. Dezember 2014

Tarifeinheit ist Tarifzensur pur

Klar, Berichte über die Lokführer- und Pilotenstreiks gab's en masse. Aber Karikaturen zum Thema Tarifeinheit - also zur gesetzlichen Retourkutsche von Großer Koalition und Wirtschaft und DGB - gibt es gar nicht so viele. Nur noch die Mehrheitsgewerkschaft im Betrieb darf Tarife abschließen? Siehe auch hier. Zu weit weg scheint dieses Thema, das allerdings für die Arbeitnehmer im Betrieb so wichtig sein kann - und eigentlich gegen das Grundgesetz verstößt. Deshalb bin ich froh, dass der Kölner Karikaturist Heiko Sakurai eine erhellende Zeichnung zur Tarifeinheit gemacht hat - die Profi-Karikatur, proudly presented:

Karikatur: Heiko Sakurai

"Das geplante Gesetz zur Tarifeinheit ist pure Tarifzensur" und "schlicht verfassungswidrig" urteilt der Bayerische Journalisten-Verband hier. Für den BJV durfte ich - freu - Karikaturen zur Tarifeinheit anfertigen, u.a. diese:


Karikatur: Karlheinz Stannies

The bigger takes it all - und die kleinere Gewerkschaft darf mit den Arbeitgebern nicht streiten, sondern nur einmal sprechen? Wenn sich diese widersinnige Denke  z.B. auch bei Journalisten durchsetzt, kämen auch Politiker in die Bredouille. Das soll meine Karikatur für das Journal des DJV NRW verdeutlichen:


Karikatur: Karlheinz Stannies

Ich bin gespannt, ob es im weiteren gesetzgeberischen Verfahren ein Umdenken bei der Politik gibt. Allerdings haben andere Vereinbarungen der Großen Koalition - von Herdprämie bis Maut - gezeigt: Nicht die Regierungsjahre sind wichtig, sondern der stur abzuarbeitende Koalitionsvertrag - inklusive aller versprochenen Zückerchen für unterstützende Interessengruppen.

Donnerstag, 11. Dezember 2014

Thema Bloggertag

Noch ein Nachtrag zum Bloggertag vom Journalistenzentrum Haus Busch und dem DJV NRW in Hagen: Hier gibt's gerade unter "Thema Bloggen" ein paar Zeilen sowie Links und auch diesen kurzen Film. bei dem ich - ohne es gewusst zu haben - sogar eine kleine Rolle spiele:



Freitag, 5. Dezember 2014

In unserer kleinen Welt im Sauerland

Stefan Aschauer-
Hundt - etwas zu ihm
und seinem Team
findet man hier,
ein Video hier.
Stefan Aschauer-Hundt habe ich beim Bloggertag in Hagen zum ersten Mal getroffen. Stefan ist eingefleischter Lokalredakteur, macht das Süderländer Tageblatt. Ein Käseblatt, mag sein. Aber eines, das Journalisten-Preise kassiert. Stefan erhielt z.B. den Deutschen Lokaljournalistenpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung - und das gleich zweimal. Für ihn und die Redaktion hagelte es geradezu Preise für Geschichtsaufarbeiten, Wirtschaftsthemen, Leser-Blatt-Bindung. Immer noch Käseblatt? Ich bat Stefan, mal etwas über die kleine Welt des Süderländers zu schreiben. Tat er prompt, danke - proudly presented:

Von STEFAN ASCHAUER-HUNDT

Da schreibt Charly so treffend über den Bloggertag „Nur guter Journalismus zählt – egal wo“ – und damit meint er ganz gewiss, dass es ihm nicht darum geht, ob die Arbeit gebloggt oder gedruckt wird. Recht hat er, der Charly … und ich möchte hinzufügen, dass wir den Ort, an dem „guter“ Journalismus stattfindet, erweitern könnten: „Guter Journalismus“ ist möglich auf allen Kanälen und an jedem regionalen Standort, auch und gerade auf dem Land.
 
Ob unser Journalismus „guter Journalismus“ ist, wagen wir nicht zu beurteilen. Wir strengen uns aber an, jeden Tag etwas Gescheites abzuliefern, damit wir damit vor den Lesern bestehen können und uns morgens in den Spiegel zu schauen trauen.
 
Wir, das sind die Redakteure und Volontäre des Süderländer Tageblatt in Plettenberg am südlichsten Zipfel des Märkischen Kreises, direkt an der Grenze zum Kreis Olpe. Der Zeitungsverlag ist der kleinste in NRW; er ist ein reiner Familienbetrieb. Derzeit sind wir acht Redakteure und – je nachdem – ein oder zwei Volontäre. Eine ziemlich eingeschworene Gemeinschaft, die aus der Stadt Plettenberg (rd. 26.000 Einwohner), der Gemeinde Herscheid (rd. 7.500 Einwohner) und aus dem Umland berichtet. Je nach Materialanfall bauen wir zwischen acht und 20 Lokalseiten (Stadt, Gemeinde, Umland, Lokalsport, lokale Anzeigenseiten.
 
Käseblatt? Na klar,

Donnerstag, 4. Dezember 2014

Nur guter Journalismus zählt - egal wo

Brauchen Blogger journalistische Kompetenzen? Mit dieser leicht provokativen Fragestellung hatten das Journalistenzentrum Haus Busch und der DJV NRW zwei Dutzend Blogger nach Hagen gelockt. Ein Abend, der sich lohnte.

Fragen ohne Ende. Aber auch Antworten? Der Blogger-
Treff in Hagen soll weitergeführt werden. Foto: @alexpresse
Schnell war klar: Jeder Jeck ist anders. Jeder Blogger hat eigene Kompetenzen, Hintergründe, Möglichkeiten, Absichten, Ziele. Genauso deutlich wurde: Ja, journalistische Kompetenzen wären wirklich wünschenswert für alle. Vor allem aber: Journalistische Qualität ist letztlich das einzige, was zählt - egal ob im Blog, in der Zeitung, bei Radio oder Fernsehen.

Der Kanal ist zweitrangig, ebenso wer mit welcher Vor- und Ausbildung die geforderte Qualität liefert. Zwei Erkenntnisse aus der Diskussion: Nicht jeder Journalist ist ein guter Blogger. Aber auch nicht jeder Blogger ist ein guter Journalist. Und: Manchmal sind gute Blogger, weil sie für ihr Thema brennen, besser als Profis, die in ihren ausgedünnten Redaktionen frustriert und verunsichert Fließbandarbeit abliefern müssen.

Schnell wurde an diesem Abend allerdings auch deutlich, dass Blogger neben den oftmals ja schon vorhandenen journalistischen Werkzeugen ebenso großen Bedarf an anderen Dingen haben, wie etwa: Beratung in Rechtsfragen, Netz-Wissen zu Technik und Reichweiten-Ausbau oder auch Erfahrungsaustausch über Finanzierungsmöglichkeiten und Geschäftsmodelle.

Haus Busch will das Blogger-Treffen fortsetzen. Schon bei der nächsten Zusammenkunft soll dann über die Gespräche und das Vernetzen hinaus auch praktischer Nutzwert angeboten werden.

***
Die Macher des Blogs Fit für Journalismus haben den Bloggertag in Haus Busch per Storify und Storyteller zusammengefasst. Fotos von Frank Sonnenberg gibt's hier.

Dienstag, 2. Dezember 2014

Adieu, altes Mädchen

Christian Lukas
Christian Lukas ist Freier Journalist und Autor, schreibt u.a. Kritiken, Sachbücher und Heftromane. In seinem Blog verfasste der Wittener vor einiger Zeit einen beeindruckenden und nachdenklichen Text über das Aus für seinen Lokalteil - und über die Wichtigkeit der lokalen Berichterstattung. Der unschöne Anlass: Die Ruhr Nachrichten machten die Redaktion für Bochum und Witten zum 31. Oktober 2014 dicht. Lesen Sie hier, mit seiner Erlaubnis, die Hommage von Christian Lukas an (s)eine Zeitung und die Medienvielfalt - proudly presented:

Von CHRISTIAN LUKAS

Mit der Schließung des Lokalteils der Ruhr Nachrichten endet nicht nur ein Stück publizistischer Lokalgeschichte. Es endete auch ein Stück weit Meinungsvielfalt. In Zukunft wird es nur noch eine Tageszeitung mit Lokalteil in Witten geben. Damit wird diese Zeitung de facto ein Monopolist: Das Tagesgeschehen - in der Hand eines einzigen Verlages. Worüber berichtet wird, was die Menschen interessiert... Diese Themen werden in Zukunft in einer Redaktion beschlossen. Gegensätzliche Meinungen, unterschiedliche Blickwinkel - werden der Vergangenheit angehören.

Bitte? Das Internet bietet eine Öffentlichkeit, die keine Zeitung bieten kann? Wozu brauchen wir klassische Redaktionen?
Ich bitte einmal anzuschauen, worüber populäre Blogs berichten. Krieg, Frieden, Mode, Feminismus, Bücher, Filme, Medienjournalismus, Demokratie, vegane Ernährung... Ob im Blog oder den sozialen Medien, thematisch geht es fast immer um das Große, das Ganze. Es geht um die großen Themen der Welt. Jene Themen, welche Öffentlichkeit generieren, die in Flensburg genau so verstanden werden wie in Stuttgart oder Passau.
Was aber ist mit der Schlaglochstraße in Witten-Bommerholz? Oder dem Kleingartenverein, der sich mit der Stadt streitet? Wer gibt diesen Menschen eine Öffentlichkeit, wer recherchiert Hintergründe, wer gibt dem Karree eine Stimme?

Die Zeitungen sind in der Krise. Sagen die Zeitungsverleger. Und sie verweisen auf die Abozahlen, auf die Einnahmen. Als kleines Licht in dieser großen Welt erlaube ich mir jedoch zu behaupten, dass diese Krise keinesfalls (alleine) eine Krise eines veränderten Konsumverhaltens der potenziellen Leserschaft darstellt. Die regionalen Verlage haben vielmehr in den letzten Jahren ihre Kernkompetenz vernachlässigt. Und diese Kernkompetenz - die liegt vor der eigenen Haustür, in den Straßen der eigenen Stadt, des Kreises, der Heimatregion. Statt massiv in diese Kernkompetenz zu investieren, wird überall gespart. Die Zahlen müssen stimmen. Und wo wird gespart? Auf der untersten Sprosse, der lokalen Redaktion. An der Kernkompetenz!

Die Welt vor der eigenen Haustür -

Karikaturen muss man einfach lieben

Man kann Karikaturen lieben, weil die gestrichelten Ideen der Künstler unter den Journalisten - besser als jeder Kommentar - ein Thema so entlarvend auf den Punkt bringen können, dass man manches versteht. Man kann Karikaturen auch wegen des treffenden Strichs mögen. Der Düsseldorfer Karikaturist Berndt A. Skott zum Beispiel kann Gesichter zeichnen wie kein zweiter. Der Putin, der Erdogan, der Papst - herrlich, oder?

Karikatur: Berndt A. Skott - proudly presented

Was Einfälle angeht, ist der Kölner Karikaturist Heiko Sakurai schwer zu übertreffen. Er machte kürzlich das gefühlte Abheben unserer Kanzlerin, die auch in Bundestags-Generaldebatten die Weltkrisen-Managerin gibt, zum Thema - klasse, oder?

Karikatur: Heiko Sakurai - proudly presented

Also ehrlich, ich bewundere Karikaturisten.


Freitag, 14. November 2014

Verleger des Jahres ... and the winners are ...

Lange habe ich überlegt, wer Verleger bzw. Verlagsmanager des Jahres werden soll. Lange führte auf meiner internen Strichliste der Thomas Ehlers von der Ostsee-Zeitung. Der hatte in der Tarifrunde erst mit verhandelt und die Gewerkschaften dabei erpresst nach dem Motto: Für den Norden muss es billiger werden, sonst pfeifen wir geschlossen auf die Tarifbindung. Als die Zugeständnisse im Sack waren - erklärte er: Der Norden macht trotzdem nicht mit, ätsch. Erst Streiks der Kolleginnen und Kollegen dort brachten die Verleger zum Einknicken. Trotzdem: Chapeau, Ehlers, Dein Zickzack-Amok-Kurs gereichte der ganzen Verlegerschaft und ihrem mühsam aufgebauten Ruf zur Zierde.

Aber solch wunderbare Hinterhältigkeit allein reicht nicht für den Pott. Auf meiner Rangliste gingen die Kölner Verleger Helmut Heinen und Alfred Neven DuMont deutlich in Führung. Der Präsident (!) und der Ehrenpräsident des Zeitungsverlegerverbandes (!) - honoriger geht's ja wohl nicht in der Branche - sind nicht nur mitten in den Verhandlungen aus der Tarifbindung ihres eigenen Verbandes ausgetreten. Was allein schon preiswürdig wäre! Der Knüller aber war: Die beiden bildeten eine tariflose Gemeinschaftsredaktion im Konkurrenzmarkt und wollten ihren Freien Journalisten abpressen, sich offiziell für Amateure zu erklären, für Hobby-Journalisten. Da die Vergütungsregeln nur für Profis gelten, könnten sie so die ungeliebte Honorar-Vereinbarung ungestraft unterlaufen, glaubten sie. Allerdings brachten die Gewerkschaften den schönen Plan per Gericht zu Fall. Trotzdem: Herrlich, Heinen, super, DuMont, das war Einfallsreichtum heutiger Verleger vom Feinsten.

Inzwischen aber steht mein Favorit für den Titel Verleger des Jahres fest. Genau genommen sind es sogar zwei: Eduard und Benedikt Hüffer aus dem Haus Aschendorff in Münster. Sie übernahmen nicht nur das Konkurrenzblatt Münstersche Zeitung und machen daraus ab morgen (15. November) ein kostengünstiges Zombie-Blatt - nach dem Motto: deren Personal zum großen Teil abbauen, die MZ weiter erscheinen lassen, und zwar mit lokalen Inhalten der eigenen Westfälischen Nachrichten, knapp 20.000 Abonnenten abgreifen. Ja, so geht Rettung der Medienvielfalt!

Was die Herren - einer davon ist IHK-Präsident - aber wirklich ganz nach vorne brachte, war das unverrückbare Vertrauen der eigenen Belegschaft bei den Westfälischen Nachrichten. Die Hüffers mussten nur ein Ausscheren aus dem Tarif sowie ein dickes Sparpaket ankündigen - und schon unterschrieben ihre Journalistinnen und Journalisten einen neuen Arbeitsvertrag mit Verzicht auf Geld und Freizeit. Natürlich ganz freiwillig und völlig ohne Angst, nur aus Gott... ähm Hüffer-Vertrauen.

Sicher, rechtlich ist der billigere Neuvertrag (inklusive dem Versprechen, vier Jahre lang nicht betriebsbedingt zu kündigen) wenig wert, weil ja zumindest für Gewerkschaftsmitglieder dort noch immer der Tarif gilt. Aber das Argument, sonst wird jetzt schon gekündigt, bis die Einsparung da ist, überzeugt natürlich. Das Angebot der Gewerkschaften, wenn's denn so schlimm um das Haus Aschendorff stünde, die Einsparungen per Haustarifvertrag rechtlich sauber umzusetzen, wiesen die Hüffers weit von sich: Gewerkschaften? Never ever. Die sollen uns nicht reinregieren. Da kündigen wir lieber.

Ein Ehrenpreis für die beste Nebenrolle als Verlagsmanager

Donnerstag, 13. November 2014

Online ist Boulevard

... und warum man fürs Geschäft einen Geschäftsführer braucht


Stefan Laurin
Der Ober-Ruhrbaron schrieb
hier schon einmal, ebenfalls
proudly presented, warum
Blogs keine Lokalredaktion
ersetzen können.
Von STEFAN LAURIN

Auf der DJV-Konferenz „Besser Online“ in Berlin habe ich gesagt, dass Online-Medien Boulevard-Medien sind und Journalisten gut daran tun, sich jemanden für Geschäftliche zu holen, wenn Sie mit Blogs und anderen Online-Medien Geld verdienen wollen. Karlheinz bat mich, dazu etwas zu schreiben, und wer kann ihm schon einen Wunsch abschlagen?

Der Grund, warum ich gesagt habe, dass Online-Medien Boulevard Medien sind, ist eigentlich ganz einfach und kommt noch aus der Print-Ära. Es gibt Abonnement-Zeitungen, die einen sehr großen Teil ihrer Auflage an Abonnenten ausliefern, die das Blatt jeden Tag bekommen. Der einzelne Artikel, die Überschrift des Aufmachers spielt eine Rolle im Verkauf, aber nur eine untergeordnete: Die meisten Leser haben sich für eine längerfristige Bindung an das Blatt entschieden.

Bei Boulevardmedien ist das anders. Bild oder Express erzielen einen großen Teil ihrer Auflage durch den Straßenverkauf. Wie viele Exemplare verkauft werden, hängt stark von der Aufmacher-Geschichte ab. Es gibt Stammleser, aber die Schlagzeile der Aufmacher-Geschichte ist für den Erfolg wichtiger als bei den klassischen Abonnentenzeitungen wie der Welt, der FAZ oder der Süddeutschen.
 
Online-Medien sind deshalb eher mit Boulevard-Medien vergleichbar, weil sie zwar auch einen gewissen Anteil an Stammlesern haben, aber sich einen sehr großen Teil der Leser jeden Tag neu erobern müssen. Die Bedeutung der Homepage sinkt seit Jahren, immer mehr Leser kommen via Facebook und Twitter – und da kommt es auf das richtige Thema und die Schlagzeile an.

Sicher, die Stammleser gewinnt man über die großen, ausführlichen und exklusiven Geschichten. Aber viele, die heute unsere Stammleser- und Stammkommentatoren sind, haben uns genau über reichweitenstarke Inhalte gefunden.

Und dass es Sinn macht, einen Geschäftsführer an Bord zu holen, der Ahnung von den wirtschaftlichen Aspekten von Medien hat, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Und das aus mehreren Gründen.
 
Der Verkauf von Anzeigen und die Redaktion müssen aus guten Gründe getrennt sein. Allein das rechtfertigt einen Spezialisten für alles Geschäftliche. Aber es gibt noch einen anderen Grund: Ein Unternehmen zu führen ist ein anderer Beruf als Artikel zu schreiben oder ein Medium redaktionell zu leiten. Will man erfolgreich sein, muss man das trennen.
 
Verleger wie Axel Springer oder Gerd Bucerius waren Unternehmer mit einer Leidenschaft für Journalismus – kurzum ideale Verleger. Genau solche Leute braucht man an Bord, will man nicht nur publizistisch, sondern auch wirtschaftliche erfolgreich sein.

Sonntag, 9. November 2014

Übrigens, Mehrheiten...

... werden demnächst in den Unternehmen wohl vom Notar ermittelt - dank der so genannten Tarifeinheit. Für sie muss nachgezählt werden: Welche Gewerkschaft hat im Betrieb mehr Mitglieder. Tarifeinheit, das ist dann, wenn es halt doch nur auf die Größe ankommt, wenn nur noch die mitgliederstärkste Gewerkschaft im Betrieb gültige Tarifverträge abschließen darf. Sprich: wenn für kleinere Gewerkschaften das grundgesetzlich geschützte Tarif- und Streikrecht praktisch abgeschafft wird. Gefordert wird Einheitlichkeit vor allem von Managern, die tagtäglich jede Chance nutzen, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Solidarität zu vermiesen, Keile zwischen sie zu treiben und ihnen die Tarife zu nehmen. Gefordert wird dies aber auch vom DGB, eingebracht wird das Gesetz von Arbeitgeber-Ministerin Andrea Nahles von der ehemaligen Arbeiterpartei SPD. Eine groteske Koalition. Dem Stuttgarter Karikaturisten Klaus Stuttmann ist eine Super-Zeichnung zum Thema Tarifeinheit gelungen. Sein gestrichelter Kommentar, siehe unten, lief wohl nicht nur bei Twitter hundertfach:

Karikatur: Klaus Stuttmann
***
... sind auch beim Deutschen Journalisten-Verband so eine Sache. Der Bundesverbandstag hat es auch im zweiten Anlauf nicht geschafft, ein Signal für die jüngeren Mitglieder zu setzen, genauer: für die Delegierten eine U40-Quote in die Satzung zu beschließen. Übrigens als Soll-Bestimmung, nicht einmal als Pflicht. Ziel: Am Bundesverbandstag des DJV sollen noch mehr Mitglieder als bisher teilnehmen, die voll im Berufsleben stehen und die aktuelle Situation in den Medien hautnah kennen. Außerdem sollte dem Nachwuchs das deutliche Zeichen gegeben werden: Wir wollen Euch, macht mit. Erneut gab es zwar eine satte Mehrheit, aber für eine Satzungsaufnahme reichte es knapp nicht. Peinlich. Immerhin gab es eine intensive Diskussion. Als Kompromiss wurde eine Art Appell an die Landesverbände beschlossen. Für den erhobenen Zeigefinger reichte dann die einfache Mehrheit.

Karikatur: Karlheinz Stannies

Mittwoch, 29. Oktober 2014

Tarifeinheit: Andrea, bis die Ärzte kommen

Karikatur: Berndt A. Skott
Würden Sie in eine Gewerkschaft eintreten, die eigentlich gar nicht streiken darf? Weil eine andere Gewerkschaft gerade einen Tarifvertrag am Laufen hat - und deshalb die Friedenspflicht gilt. Wer es trotzdem wagt, riskiert gerichtliche Verbote, Kündigungen, Schadensersatzklagen.

Würden Sie in eine Gewerkschaft eintreten, die stattdessen in einer Tarifrunde gerade mal das Recht hat, den Arbeitgebern exakt einmal ihre Sicht der Dinge vorzutragen? Das Gähnen der gesetzlich nur zum Zuhören gezwungenen Manager kann man sich ausmalen.

Nein, solche Gewerkschaften würden letztlich nur noch auf dem Papier stehen. Papiertiger. Und die zigfach fusionierten Groß-Gewerkschaften hätten das Sagen. Dabei kommt es ja, wie man weiß, eben nicht immer nur auf die Größe an.

Arbeitgeber-Ministerin Andrea Nahles (SPD) jedenfalls will, auf ausdrücklichen Wunsch von Wirtschaft und DGB und Kanzlerin, eine Ergänzung des Tarifvertragsgesetzes durchdrücken. Diese soll das Rad zurückdrehen, zurück zu einer Tarifeinheit pro Betrieb, die vom Bundesarbeitsgericht vor vier Jahren gekippt wurde. Und sie verkündet lauthals allen Ernstes, mit einer Einschränkung der grundgesetzlich garantierten Koalitionsfreiheit und des hohen Guts des Streikrechts habe ihr geplantes Gesetz zur Tarifeinheit nichts zu tun. Pustekuchen, siehe oben.

Es mag ja sein, dass die Arbeitgeber-Andrea vor allem die böse Gewerkschaft der Lokführer (GDL) im Sinn hat und deren nicht nur die Fahrgäste verschreckendes Gerangel um Tarifverträge für Mitglieder, die nicht Lokführer sind. Die Piloten kann sie nicht meinen. Im Cockpit gibt es keine Tarifkollision. Und davon ab: Es gab und gibt es auch Hauen und Stechen um Zuständigkeiten unter den DGB-Einheitsgewerkschaften, etwa der IG Metall und Verdi. Es mag also sein, dass die leider zuständige Ministerin nur Gutes im Sinn hat. Aber betroffen sind eben nicht nur Daseinsvorsorge-Bereiche oder Großkonzerne mit eigenen Tarifen. Betroffen sind ganz viele, quer durch die Branchen.
 

Ein Beispiel: Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat in den meisten Redaktionen die Mehrheit, überwiegend, aber nicht überall. Kann die zu Verdi gehörende dju damit tarifpolitisch einpacken? Bisher

Dienstag, 28. Oktober 2014

Journalismus: Chancen, Risiken, Nebenwirkungen

Andreas K. Bittner, DJV
Schatzmeister bei der EJF
(bei Twitter der @qwasi)
"Die Zukunft des Journalismus kann von einer neuen Journalistengeneration profitieren, die die neuen Technologien annimmt, neue Wege des Denkens erschließt und Journalismus unternimmt. Journalistenorganisationen müssen diese neuen Gelegenheiten beim Schopf ergreifen und sie zu ihrem Vorteil nutzen, um die Bedrohungen, die Herausforderungen, die vor ihnen liegen, zu meistern."

Diese Sätze stammen aus einer Studie, die Andreas K. Bittner für die  European Federation of Journalists (EJF) geschrieben hat. Andreas ist, wenn er sich selbst beschreibt: "Freier Journalist, Westfale, Borusse". All das macht ihn sympathisch. Er war Schatzmeister im Bundesvorstand des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) und engagiert sich bei der EJF, der größten Journalistenorganisation in Europa. Andreas K. Bittner stellt hier kurz vor, worum es in der Studie geht und warum man sie lesen sollte, proudly presented:
 

Von ANDREAS K. BITTNER

Nach 2011 hat die EJF nun eine zweite, großangelegte Studie veröffentlicht, die sich mit dem Journalistenberuf – seinen Chancen, Risiken und Nebenwirkungen – sowie dem Wandel in der Medienbranche beschäftigt. Hieß es vor drei Jahren noch schlicht „Managing Change in Journalism“, wurden in der aktuellen Untersuchung „Finanzierungs- und Beschäftigungsmodelle im Journalismus“ thematisiert.

Die Ausgangsfrage: Zukunftsangst, Technologiephobie und Pessimismus - sind das wirklich die vorherrschenden Befindlichkeiten in der Medienbranche und von Journalistengewerkschaften? Wo sind und wer vor allem bringt frische Impulse? Was ist mit der oft beschworenen digitalen Aufbruchsstimmung?

Im Rahmen des EU-Projekts “Confronting Austerity: Financial and Employment Models for Journalism” hat die EJF eine Bestandsaufnahme unter 62 europäischen Mitgliedsorganisationen gemacht. Im Mittelpunkt des Berichts stehen die Herausforderungen, mit denen Gewerkschaften und Berufsverbände im Medienbereich angesichts anhaltender Kürzungen und Sparmaßnahmen sowie dem rapiden Medienwandel konfrontiert sind. Mit welchen Strategien, Finanzierungs- und Beschäftigungsmodellen im Journalismus versuchen sie, die Krise zu bewältigen?

Klar ist: Gewerkschaften und Berufsverbände müssen sich offensiver zu ihrer Rolle als Dienstleister und Agent of Change bekennen. Noch verteidigen sie sehr stark ihre gewachsene Rolle, die alte Spartenstruktur, sind zu häufig besitzstandswahrend und zu selten innovativ – mit dem Mut, mit neuen Projekten auch mal zu scheitern.

Trotzdem überwiegen Neugier, Experimentierfreude und Bereitschaft zur Innovation inzwischen. Weniger Lamentieren, mehr Bereitschaft zur konstruktiven Umsetzung. Der Wandel ist in den Köpfen der Journalisten

Mittwoch, 22. Oktober 2014

Was kommt noch im Ticker-Wahn?

Bernd Berke vom Kult(ur)-Blog Revierpassagen hat sich kürzlich über "leblose Liveticker" mokiert. Die Fußballmannschaft ist am Flughafen, der Flieger ist in der Luft, jetzt ist er gelandet. Bernds Fazit: "Es passiert nichts Nennenswertes, aber dieses Nichts wird unentwegt breitgetreten. Auf die nächste Nullnachricht zu warten, ist an Sinnlosigkeit kaum zu überbieten. Früher hätte man gesagt: Macht euren Bericht erst mal fertig, dann lesen wir (vielleicht) das Resultat."

Bernds lesenswerter Beitrag motivierte mich, einen Teil einer älteren Glosse zum Thema Ticker-tacka und Ticker-Wahn noch einmal rauszukramen. Sie endete so:

***
Immerhin hat ja der Gauck den Verlegern mal so richtig die Leviten gelesen, auf deren eigener Jahrestagung“, grinste Bernd. „Aus einem prekären Journalistenhintern kommt kein qualitätsvoller Furz. Hat er gesagt. Sinngemäß.“ Bernd ist ein Meister der knackigen Zusammenfassung.

„Schade, da wäre ich gerne dabei gewesen“, meinte Harry. „Man hätte das Livetickern sollen“, schob Philipp nach. Er schwärmte uns immer davon vor. Das wäre so gut wie dabei sein. Liveticker vom Wahlabend, vom Fußballplatz, bis runter zur Kreisliga, von der entschärften Bombe, vom neuen Apfel-Pad, von der umgefallenen Giraffe im Zoo. „Die Netz-Leser lieben das.“ Deshalb drehen die Internet-Redaktionen wohl auch auf: Ticker-tacka, überall. Eine Redaktion tickerte kürzlich „Wetten dass?“ – damit man die Sendung nicht sehen muss.
 

"Was kommt noch im Ticker-Wahn?“, fragte Klaus theatralisch. Wir schauten auf den stummen Dietmar. Der hackte weiter auf seinem Schlaufon herum, obwohl wir doch hier am Stammtisch ohne Displays auskommen wollten. Wir sprangen hinter ihn. Dietmar hielt die Hand über das Display. Aber wir hatten bereits gelesen: Stammtisch-Liveticker. Das Internet hatte die nächste Bastion eingenommen.
 
***
P.S.: Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch einmal auf die Spalte links in meinem Blog hinweisen. Unter Bessere Blogs, zu denen auch Revierpassagen gehört, werden stets deren aktuellen Beiträge angezeigt. Es lohnt sich also immer, zu Charly&Friends zu klicken.
 
 

Montag, 20. Oktober 2014

Überraschend: Lanze für die Gewerkschaft

Ralf Heimann
Einer seiner Tweets löste
übrigens 2010 den
Blumenkübel-Hype aus
Ralf Heimann war einige Jahre bei einem tariflosen Verlag angestellt, wollte dann mal was Neues probieren, ließ den Job sausen und ist inzwischen freier Journalist und Buchautor ("Die tote Kuh kommt morgen rein"). Er nennt das neue Leben und sein begleitendes Blog Operation Harakiri. Dort schrieb er jetzt, was Lokführer den Journalisten voraus haben - und warum er (auch für ihn, den Ausgetretenen) völlig überraschend eine "Lanze für Gewerkschaft" bricht, siehe hier. Nun tritt Ralf Heimann wieder in den DJV ein, weil es "alleine nicht geht". Ich darf seinen Text, der auch einen Einblick gibt in die Gefühlswelt der Tariflosen (der man viel entgegen halten könnte), hier verwenden. Welcome back - and proudly presented:

Von RALF HEIMANN

Am Freitag wollte eine alte Freundin übers Wochenende zu Besuch kommen. Das wären zwei schöne Tage geworden. Ich hatte mich sehr darauf gefreut. Aber dann kam am Freitagnachmittag eine SMS. Sie schrieb, sie müsse leider absagen. Ihr Zug sei ausgefallen. Der blöde Bahnstreik.

Weil die Lokführer mehr Geld haben wollen, geht mein schönes Wochenende flöten. Das war so ungefähr mein erster Gedanke. Ich habe mich über die Lokführer geärgert. Das war am Freitag. Mit etwas Abstand denke ich: Vielleicht ja ganz gut, wenn wenigstens ein paar Berufsgruppen so gut organisiert sind, dass sie hin und wieder mal was fordern können. Wir Journalisten kriegen so was ja nicht hin.

Wenn Journalisten streiken, sieht man abends in den Nachrichten ein kleines Grüppchen mit Trillerpfeifen und bunten Plakaten in der Fußgängerzone stehen. Die Grüppchen sind mit den Jahren immer kleiner geworden. Und wenn die Gewerkschaftsbosse dann am Ende ein paar Prozent für alle rausgeholt haben, können sich darüber auch nur die freuen, die das Glück haben, in einem Verlag zu arbeiten, der so nett ist, sich weiterhin an die Tarifabsprache zu halten.

Alle anderen zucken zwei Mal mit den Achseln und setzen dann ihre Arbeit fort, denn was soll man schon machen? Wenn sie keine Tarifverträge mehr zahlen wollen, dann ist das eben so. In dieser Situation noch Ärger machen, kann ja auch gefährlich sein. Nachher ist man seinen Job los. Und das will man ja auch nicht.

Ich selbst habe sieben Jahre lang in einer Redaktion gearbeitet, in der es weder einen Tarifvertrag gab noch einen Betriebsrat. Wir haben öfter darüber nachgedacht, einen Betriebsrat zu gründen. Aber letztlich scheiterte es doch immer an der Frage: Was bringt das schon?

Eine Rolle gespielt hat natürlich auch Angst. Durch den Verlag waberte das Gerücht, der Verleger könne Betriebsräte so wenig ausstehen, dass jeder, der die Tollkühnheit besitzt, sich wählen zu lassen, auf Dauer mit erheblichen Nachteilen rechnen müsse. Andererseits hatten andere Abteilungen längst Betriebsräte, und die konnten das so nicht bestätigen. Es gab sogar Leute, die das Unternehmen verlassen hatten und später wieder eingestellt worden waren. Trotz ihrer Mitgliedschaft im Betriebsrat.

Im Nachhinein frage ich mich, woher diese vorauseilende Angst kam. Und ich frage mich, ob Angst wirklich der einzige Grund dafür ist, dass Journalisten sich so ungeschickt anstellen, wenn es darum geht, die eigenen Interessen durchzusetzen.

Vielleicht liegt es ja auch daran, 

Freitag, 17. Oktober 2014

Echtzeit, Echtzeit, Echtzeit

Wir schielten hoch zum Kneipen-Fernseher. Da lief gerade das Casting für Deutschland sucht den Super-Verleger. Irgendwelche Kölner stellten ihren Plan vor, aus Freien Profis kaum honorierte Amateure zu machen. Und Bohlen polterte: „Für mich seid ihr im Finale – im finalen Endstadium. Wir sind Talentsucher und keine Müllsortierer.“

Hey, Wirt, schalt um. Der drückte uns lieber gleich die Fernbedienung in die Hand.

Zapp. Richter Kartell schaute skeptisch zur Anklagebank: „Was denn, schon wieder Notwehr? Wieder Sanierungsfusion?“ Der Wiederholungstäter tat zerknirscht: „Doch nur wegen der … ähm … medialen Vielfalt“.

Zapp. Fernsehköche kippten in alle Töpfe und Pfannen dasselbe. „Ab heute gibt’s“, sagten sie mit Sparsabber in den Mundwinkeln, „nur Einheitsbrei“.

Zapp. Jetzt flimmerte eine dieser endlosen Soaps über den Schirm: Print vs Online. In der Folge „Wer im Glashaus sitzt“ zerfleischte sich eine Nachrichtenmagazin-Redaktion. Wandelnde Greise, gestützt auf Radiergummi-Bleistifte, gegen von Akkus getriebene junge Hoodies mit nachtaktiven glühenden Augen.

Horror. Zapp. Der Propheten-Kanal sang das Mantra von der siegreichen Digitalen Revolution.

Zapp. Der Prediger-Sender betete ultimative Lösungen für den Journalismus runter: mobile, urban, Daten, Roboter, Drohnen, Crowdfunding, interaktiv, investigativ, native...

Dativ. Akkusativ. Aus. „Inzwischen gibt’s Comics-Journalismus. Was sollen wir noch alles testen, um den Journalismus zu retten?“ rang Peter nach Fassung. „Und alles unter Druck. Dabei hat der olle Henry Ford schon gewusst: Der größte Feind der Qualität ist die Eile“, rief er. „Aber alle wollen Echtzeit, Echtzeit, Echtzeit.“

Die Tür ging auf, und Peters Frau stand neben ihm. „Stimmt“, sagte sie. Wir horchten auf. Peters Frau stand nicht im Verdacht, ihm immer Recht zu geben. Sie schnappte sich den Gatten: „Ab nach Hause. Es ist echt Zeit.“

Donnerstag, 16. Oktober 2014

Durchhalten!

Karikatur: Karlheinz Stannies

Montag, 6. Oktober 2014

Bock zum Gärtner

Ein rechtskonservativer Medien-Schikanierer für die Kultur, ein ehemaliger Öl-Mann für das Klima, ein Schuldenmacher für die Wirtschaft, ein Nicht-Digitaler fürs Digitale... Einige Kandidatinnen und Kandidaten von Jean-Claude Juncker für die EU-Kommission sind höchst umstritten. Das EU-Parlament siebt. Und Jan Tomaschoff, einer meiner Lieblings-Karikaturisten, stellt mit seinem Stift die goldrichtige Frage. Und zeichnet die Antwort gleich mit ins Bild - einfach klasse, proudly presented:

Karikatur: Jan Tomaschoff

Samstag, 4. Oktober 2014

Silvernerds sind Netzeroberer

Ilse Mohr
Foto: privat
Ilse Mohr ist eine Journalistin aus Alfter bei Bonn und ist, Zitat: "damals gab es noch Tippex" Jahre alt. Sie arbeitete lange im Lokalen, inzwischen als Textcoach, betreibt ein Büro für Textqualität - und bloggt als Silvernerd. Über Social Media, digitale Gräben, Netzkompetenz und ihre Erlebnisse im Neuland mit ü50. Silversurfer waren gestern: "Silvernerds sind durchgeknallte ü50er, die plötzlich anfangen zu twittern und zu bloggen und aufhören, ihre Haare zu färben. Sie fühlen sich zu jung, um den Anschluss an die Welt zu verlieren, und tauschen Rezepte für Grießklößchen gegen Infos über dieses Internet." Besonders gefallen hat mir das Doppel-Interview Mutter-Tochter/Tochter-Mutter, siehe hier, in dem Ilse und Carline viel vom Familienleben im Netz verrieten: Möchtest Du mit mir befreundet sein, Kind? Und: Bin ich Dir bei Facebook peinlich, Mama? Für mein Blog schrieb die Kollegin auf, warum immer mehr Ältere munter herumnerden (sollten) - proudly presented:

Von ILSE MOHR

Rückt mal zusammen und macht im Internet Platz für die Silvernerds. So nenne ich Leute 50+, die das Stadium der belächelten Silversurfer hinter sich gelassen haben. Silvernerds springen mutig über den digitalen Graben und erobern sich das Internet als einen vergrößerten Lebensraum. Sie besiedeln das Neuland, gestalten es mit und leben dort genauso selbstverständlich wie in der realen Welt.

Der Begriff Silversurfer reicht nicht mehr aus, um die Umtriebigkeit älterer Menschen im Netz zu beschreiben, die angefangen haben zu twittern, zu bloggen und Videos hochzuladen; die sich per Hangout on air  in einer netzpolitischen Diskussion zu Wort zu melden, ihr Internetkenntnisse auf Fortbildungen erweitern und auf Barcamps neue Wege der Vernetzung gehen.
 
Silversurfer ist so 90er
Der Begriff Silversurfer wurde zum einen von Marketingstrategen Ende der 90er Jahre in die Welt gesetzt, die mit der Generation 50+ eine neue Zielgruppe im Internet entdeckt hatten. Zum anderen beschreibt der Begriff auch die Online-Aktivitäten der älteren Menschen, die sich überwiegend auf wenige bekannte Anwendungen beschränken: Informationen suchen, Suchmaschinen nutzen, E-Mails schreiben, Wetterinformationen suchen.
 
Selbst Flashmobs kennen längst kein Alter mehr -
wie hier beim Weltseniorentag in Köln (Foto: Ilse Mohr)
Das Netz kann mehr
Im Vergleich zu den jüngeren Generationen werden die Möglichkeiten zur Interaktion im Netz zwar noch wenig genutzt, aber die Generation zwischen 50 und 69 Jahren holt auf. Die ARD/ZDF-Onlinestudie 2014 zeigt, dass der Anteil dieser Altersgruppe in Onlinecommunitys (17%), Videoportalen (17%) und Chats (12%) und Internetforen (7%) steigt. Auch Blogs und Twitter sind für einen kleinen Teil der älteren Onliner kein Fremdwort mehr.
 
Web 2.0 löst das Surfen ab
„Einfach so im Internet surfen“ ist aus dem Fragenkatalog der ARD/ZDF-Studie in diesem Jahr verschwunden. 1999 kam "zielloses Surfen" bei der Online-Nutzung noch auf satte 77%, bis 2013 ist dieser Anteil auf 44 Prozent gesunken. Web-2.0-Anwendungen haben das Internet der 90er längst in eine Plattform verwandelt, die mit ihrer Interaktivität und Multimedialität auch ältere Späteinsteiger anlockt. Sie surfen dort nicht mehr, sondern nerden munter herum. Silvernerds eben.

Brücken zwischen Jung und Alt
Ein Problem ist für Ältere noch oft die ganze Technik. Erstaunliche 25 Prozent der 50-69jährigen nutzen zwar schon Apps auf Mobilgeräten, 50 Prozent dieser Altersgruppe schätzen nach den Ergebnissen der ARD/ZDF-Onlinestudie ihre Internetkenntnisse jedoch als weniger gut bis gar nicht gut ein. Mein Wunsch wäre, dass jeder jüngere Onliner als Netzpate Verantwortung für einen älteren Menschen in seinem Umfeld übernimmt. So kann auch die Gefahr einer digitalen Entfremdung zwischen den Generationen verringert  werden. Denn Netzkompetenz brauchen die Älteren auch den Enkeln zuliebe.




Freitag, 26. September 2014

Trallafitti

Dieses Buch liest sich weg wie nix. Also hat man nicht lange Freude dran?
 
Das Buch vom Fenster-
 Rentner gibt's hier
(samt Leseprobe)
und im Buchhandel
Ganz im Gegenteil. Wer es gelesen hat, weiß spätestens nach der letzten Seite: Dat Leben is kein Trallafitti. Aber ein Riesenspaß. Und der Fenster-Rentner ist auf Dauer Dein Freund. Obwohl er aus der verbotenen Stadt, Ortsteil Buer, stammt und damit notgedrungen Anhänger vom Kickverein Herne-West aka Schalke ist. Allerdings gehört der Otto Redenkämper (der mal bei mir hier etwas über Journalisten schrieb) ganz und gar nicht zu denjenigen, die dem "schwatzgelben Bienenvolk", wie er den BVB und seine Fans nennt, immer nur Varroatose oder geballte Faulbrut an den Hals wünschen. Das beweist er als @FensterRentner auf Twitter und in seinem Blog Ottos Revier immer wieder.

Wahre Fenster-Rentner, zumal nach einem Ruhrie-Leben als echte Malocher, sind halt tolerant. Und Fußballexperten. Ach, was schreibe ich: Eigentlich sind Fenster-Rentner Experten für das ganze Leben. Ich sage nur: Rheuma-Salbe gegen Kimmenfrost, wenn die Heizung ausfällt.

Ein roter Faden zieht sich durch "dat Büchsken": Es gilt, Jupps Kiosks zu retten - und nebenbei das nervende Bocksprung-Blag zu jagen, das frech über den gebückten Rentner hüpfte. Das finde ich gut: Neben der Aneinanderreihung von Geschichten gibt's auch eine Story und einen Spannungsbogen bis zum Schluss. So muss das sein.


Der Fenster-Rentner
In den Geschichten wird natürlich kein Klischee ausgelassen, das hier an der Ruhr wirklich gelebt wird. Und es fehlt auch kein Problemchen des täglichen Lebens. Und alles mit Augenzwinkern und brachialer Ruhr-Herzlichkeit, die alle Widrigkeiten zum Schmelzen bringt. Und auch die Vorteile werden nicht unterschlagen: "Ruhrpott ist, wenn bei einer Fußball-WM von jeder Mannschaft irgendwo Jubel zu hören ist."

Egal ob als Inspektor Buerlumbo mit der Fensterkissen-Lizenz zum Anschwärzen, beim vergessenen Hochzeitstag, beim Freistilmoppern oder bei der Männersause, beim Augenbrauentoupet oder dem Kampf mit dem Callcenter: Dieser Fenster-Renter steht "mit beiden Pantoffeln im Leben". Ach, lesen Sie doch selbst...
***
P.S.: In seinem Blog schrieb der Fenster-Rentner, dass er wegen des Buchs stolz wie Bolle ist, was ich nachvollziehen kann. Dann fügte er aber noch hinzu: „Wenn dat möglich is, is allet möglich, sogar ne Schalker Meisterschaft!“ Kinners, und da muss ICH sagen: Auch Fußball is kein Trallafitti, lieber Otto. Gut, dass wir nicht so lange auf Dein Buch warten müssen - wie Schalke auf die Schale. Glück auf.

Montag, 22. September 2014

Wilde Montagsträume

Die Demo vor dem Haus des Verlegerverbands lief echt prima. Wir waren Hunderte, und alle riefen: „Journalismus ist mehr Wert, mehr Wert - egal ob Print oder Online!“

Plötzlich entdeckte ich den Döpfner mitten in unseren Reihen. Er trug ein Plakat mit balkendicken Buchstaben: „Krise? Welche Krise?“ Unglaublich, dann war da auch noch der junge Neven DuMont. Der hakte sich beim Alten ein, beide riefen: „Kollegen! Investiert in Eure Redaktionen!“ Der Heinen griff sofort zur Geldbörse: „Jawoll! Guter Journalismus ist teuer!“ Der Lensing reimte sich einen Wolff: „Ohne Tarif – geht alles schief“. Die Funke-Geschäftsführung hüpfte kollektiv: „Vielfalt schlägt Einfalt! Nie mehr Zombie-Zeitungen! Kwalität statt Kündigungen!“ Wir alle hatten Tränen in den Augen.

Schweißgebadet wachte ich auf. Hatte ich wirklich zuletzt noch die nordrhein-westfälischen Zeitschriftenverleger gesehen? Die rhythmisch pullten: „Wir sitzen alle in einem Boot!“ Und den Chor der nord- und ostdeutschen Zeitungsverleger gehört? Der sang: „BDZV, DJV ... her mit Euren Aufnahmeanträgen!“

Mensch, diese Montagsträume nach den Sonntagsreden werden wirklich immer wilder.

Donnerstag, 18. September 2014

Was seit Wilhelm Busch geschah...

Bernd Berke war Jahrzehnte lang
bei der Westfälischen Rundschau
(die inzwischen ein beklagenswertes
Zombie-Dasein fristet)
Bernd Berke, der das tolle Ruhr-Kultur-Blog revierpassagen.de führt, in dem rund 20 Autorinnen und Autoren schreiben (Tipp: links unter "Bessere Blogs" ist stets der neueste Beitrag zu finden), ist Kultur-Journalist. Also kann er viel fachmännischer über eine Ausstellung in Oberhausen schreiben, bei der ich wohl immer nur haaach und oooh machen würde: Comics. Ich bin bekennender Fan seit Kindertagen und horte im Keller einige tausend Hefte und Bände. Bernd schrieb zum Ausstellungsbeginn einen Blog-Beitrag, den ich hier mit seiner Erlaubnis übernehmen darf - proudly presented:

Von BERND BERKE

Da hat man sich in Oberhausen hübsch was vorgenommen: Nicht weniger als die ganze Geschichte des deutschsprachigen Comics seit Wilhelm Busch will man in prägnanten Beispielen nacherzählen. Besucher der neuen Ausstellung „Streich auf Streich“ dürfen ausgiebig der Augenlust frönen, sehen sich aber auch gefordert.

Wilhelm Busch: Zeichnung aus “Max und Moritz”,
1865 (© Wilhelm Busch – Deutsches Museum für
Karikatur und Zeichenkunst)
In Zahlen: Die Tour durch 150 Jahre Comic-Historie ist in 15 Kapitel („Streiche“) unterteilt, rund 300 Originalzeichnungen und 60 Erstdrucke sind in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen zu sehen. Die Schau erstreckt sich weitläufig über mehrere Etagen und umfasst die ganze mediale und stilistische Bandbreite. Gastkurator Martin Jurgeit zeigte sich höchst angetan von solchen Ausbreitungs-Möglichkeiten. Er kann in Oberhausen noch mehr auftrumpfen als in Hannover, für dessen Wilhelm-Busch-Museum er die Schau geplant hat.

Der wahrhaft vielfältige Rundgang beginnt beim Vorvater und frühen Großmeister der Zunft: Wilhelm Busch hat tatsächlich

Schotten ziehen blank

Die Schotten stimmen über ihre Unabhängigkeit ab. Ein großes Thema, auch in allen Medien. Klar, dass sich auch zwei meiner Lieblingszeichner, Berndt A. Skott und Heiko Sakurai, Gedanken zum Thema machen. Die Schotten ziehen blank ... bei beiden, proudly presented:


Karikatur: Berndt A. Skott
Karikatur: Heiko Sakurai

Dienstag, 16. September 2014

Journalismus-Zukunft: Unsinnige Debatten

Peter Welchering
Hört mit der unsinnigen Diskussion über die Zukunft des Journalismus auf und macht statt dessen wieder eure Arbeit als Journalisten. Dazu ruft Peter Welchering in seinem Blog auf. Der Stuttgarter (der hier schon einmal über Lokaljournalismus schrieb) arbeitet mit einem eigenen digitalen Hörfunkstudio für öffentlich-rechtliche Sender, lehrt an Journalistenschulen und als Medientrainer und ist im Landesvorstand des DJV Baden-Württemberg. Hier sein "höchst subjektiver Zwischenruf" - proudly presented:

Von PETER WELCHERING
 
Auf allen möglichen Konferenzen, in Blog-Beiträgen und in viel zu vielen Feuilleton-Beiträgen wird über die Zukunft des Journalismus diskutiert, wehgeklagt und vor allen Dingen lamentiert. Von einem aussterbenden Gewerbe ist die Rede; gefordert wird, die journalistische Tätigkeit als gemeinnützige im steuerrechtlichen Sinne anzuerkennen, und einige wollen den Journalismus herrlichen crossmedialen Zeiten entgegenführen.
 
Neue Finanzierungsmodelle, neue Formen der Zugangsbeschränkung in diesen einst freiesten aller Berufe, von neuen Journalismen wird geraunt, die die alte, verstaubte, aus den Zeiten des Print und des Rundfunks stammende Profession ablösen wird. Die Zukunft des Journalismus liegt dann wahlweise im Drohnen-Journalismus, im Daten-Journalismus oder im Roboter-Journalismus. Neue Studiengänge entstehen, die die Zukunft des Journalismus absichern sollen, aber eigentlich nur die Segmentierungstheorie aus den 1980er-Jahren auf die journalistische Ausbildung anwenden, derzufolge damals aus Musikwissenschaft das Spezialfach mittelalterliches Flötenspiel zu werden hatte.
 
Zukunftspapiere entstehen zu Hauf. Man kann sie gar nicht alle lesen, und es lohnt zum größten Teil auch nicht. Die einen

Sonntag, 31. August 2014

Mogelpackungen

"Also, ich blicke nicht mehr durch“, stöhnte Werner, mein Kioskchef umme Ecke. „Nirgendwo ist mehr drin, was drauf steht.“ Vorhin, erzählte er, kam einer und schnappte sich die NRZ. „Der Bursche nahm den Lokalteil raus und fummelte den dann einfach in die RP hinein. Dann sagte er: So, jetzt kaufe ich die RP.“

Werner war geschockt und fragte natürlich, was das soll. Die Antwort verwirrte ihn völlig: „Der sagte: Also, ich finde die RP besser als die NRZ. Aber die NRZ kriegt den Lokalteil der RP. Und den dürfen die NRZ-Redakteure dann noch aufmotzen. Die nehmen die besten lokalen Geschichten aus der RP und schreiben dann noch eigene dazu. Die Verlagschefs haben zwar gesagt, dass die NRZ mit der NRZ ohne so viele Redakteure vor Ort eigentlich das Beste wäre. Aber die RP mit der NRZ, die eine aufgemotzte RP ist, ist noch besser.“

Werner kippte einen Magenbitter. „Verstehst Du das? Das sind doch dann alles Mogelpackungen, ohne durchgehendes Profil, Sodom und Gomorrha!“

Ich versuchte, ihn zu trösten. „Den Trick mit zusammengekauften Inhalten von früheren Konkurrenten, wie damals bei der WR, finden viele Verlagschefs halt toll. Auch die WZ wird jetzt 'ne Wundertüte. Und in Münster oder Köln sind weitere Mogeleien geplant, sogar in Castrop-Rauxel. Alles der Vielfalt wegen.“

Oma Trude kam dazwischen, warf einen Euro auf die Theke. „Ich hätte gern außenrum die Süddeutsche und drinnen den Lokalteil der NRZ Essen, solange er noch von der NRZ ist, dazu die Wirtschaft von der WELT, die Wochenendbeilage der Westfalenpost und den Sportteil der BILD.“ Werner warf sich weinend hinter den Zeitungsständer.



Samstag, 16. August 2014

Totes Holz, totes Holz

Spaziergänge im Blätterwald machen zur Zeit wenig Spaß. Klaus fluchte: „Ruhe? Pah! Immer wieder schlagen Äxte einzelne Lokaläste ab. Inzwischen legen die sogar ganze Zeitungsbäume flach. Da kannste Dich noch so ins Zeug legen.“
 
Katie knirschte mit den Zähnen: „Und überall schleichen diese gierigen Forstberater um die Bäume und wollen an ihnen schütteln, bis noch mehr aus den Nestern fliegen.“ Fritz maulte: „Mich nerven auch die anderen Horden, die durch den Blätterwald laufen und rufen: Wir nehmen's uns einfach!“ Petra schaute auf: „Du meinst diese Silizium-Jünger, die überall Plastikschilder antackern: Totes Holz, totes Holz?“ Fritz nickte.
 
Klaus gluckste kurz auf: „Viele von denen sollen sich ja schon verlaufen haben.“ Wir stutzten. Wieso denn das? „Weil sie den Ausweg auch nicht fanden.“
 
Endlich war auch mal wieder Lachen im Blätterwald zu hören. Bitteres Lachen.