Samstag, 3. August 2013

Liebe Flanellmännchen: If you pay peanuts...

Was kann eine Gewerkschaft konkret tun, wenn es in Medienhäusern knallt? Oft leider viel zu wenig. Trotz guter Argumente und massiver Demonstrationen kann man einen Arbeitgeber meist nicht daran hindern, sogar hanebüchenen Blödsinn zu machen, z.B. wie bei der Westfälischen Rundschau (WR) eine ganze Belegschaft zu feuern und das entstandene Zombie-Blatt dann von Fremden füllen zu lassen. Gewerkschaften können leider den Job nicht retten. Aber sich bemühen, den Mitgliedern - vor allem den stets kurzfristig betroffenen freien Journalistinnen und Journalisten - so konkret zu helfen, wie es nur geht. Zum Beispiel mit Rechtsschutz und Klagen, Verhandlungen mit Verlagsmanagern, Seminaren und sogar Darlehen.

Beispiel Gemeinsame Vergütungsregeln


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Gemeinsame Vergütungsregeln - das sind als "angemessen" geltende Mindesthonorare, die zwischen Verlegern und Gewerkschaften ausgehandelt wurden. Die Gewerkschaften haben dabei ziemlich niedrige Honorare akzeptiert, damit es überhaupt etwas gibt. Das "Gemeinsame" endete, kaum war die Unterschriftstinte trocken, in der Umsetzung: Die meisten Arbeitgeber halten sich einfach nicht daran. So sind sie halt, unsere "Tarifpartner", die Gutsherren.

Was kann eine Gewerkschaft tun? Betroffenen Freien bei der Klage (die sie leider selbst führen müssen, solange es kein Verbandsklagerecht gibt) helfen.

Das Kölner Landgericht hat den Bonner Generalanzeiger (in erster Instanz) jetzt dazu verdonnert, zwei freien Journalisten fünfstellige Summen nachzuzahlen - weil die Zeitung viel zu niedrige Honorare gezahlt hatte. Der DJV NRW, der den klagenden Freien Rechtsschutz gab, freute sich nach über einjährigem Kampf natürlich darüber, siehe hier. Landesvorsitzender Frank Stach urteilte: "Dass uns jetzt das Landgericht Köln Recht gibt und diesem Verlag die Unangemessenheit seiner Honorare bescheinigt, ist für uns ein grandioser Sieg."

Zugegeben, solche Urteile könnten nach hinten losgehen. Und Bülend Ürük von newsroom.de mahnte auch gleich: Dieser Erfolg für freie Journalisten "birgt Sprengkraft für Redaktions-Etats". Die Fragen sind: Was, wenn plötzlich noch mehr Verlage ihre freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach den gemeinsam unterschriebenen Regeln - und nicht mehr wie bisher "frei Schnauze" oder "nach Lust und Laune" - bezahlen müssten? Was, wenn die bewusste Unterschreitung dieser Mindestsätze immer öfter mit Nachzahlung "bestraft" würde? Gäbe es dann erhöhte Honoraretats?

Ich denke, jeder Verlagsmanager würde reflexartig erst einmal antworten: Nein, können wir uns gar nicht leisten. Danach würden die "Herren" hörbar klagen: Wenn wir gezwungen werden, halbwegs ordentlich zu honorieren, dann reicht das Geld nicht mehr für alle Freien - und auch die Festen sind dann vielleicht nicht mehr alle bezahlbar. Lachen Sie nicht! So sind sie und so denken sie, die "Herren". Die meisten anscheinend, leider. Und genau so eine unterschwellige "Drohung" gab es bereits einmal bei der damaligen WAZ-Gruppe. Mit uns Journalisten können sie trotz der Gemeinsamen Vergütungsregeln ja machen, was sie wollen. Das dachten sich wohl viele Verlagsmanager.

Deshalb sind solche Urteile gut und wichtig! Sie erinnern die "Flanellmännchen" (so nannte Axel Springer seine Verlagsmanager) an etwas an sich Selbstverständliches, das sie von anderen stets erwarten - an Vertragstreue. Sie geben auch den oft hemmungslos ausgebeuteten freiberuflichen Kolleginnen und Kollegen einen Teil ihres Stolzes und ihrer Würde zurück. Ohne die Arbeit der Freien könnte so manche personell längst gefledderte Redaktion dichtmachen, blieb so manches Produkt schlechter und unvollständig. Ohne Freie und ihre journalistische Qualität geht es nicht mehr. Also sollte sich die Bange in Grenzen halten.

Und weil wir beim Thema Qualität sind, sei den Verlagsmanagern gesagt: If you pay Peanuts, you get monkeys. Ein Spruch, der in ihren Kreisen übrigens nicht gilt.

Beispiel "Abfindungen" für Freie


Hier im Blog wurde bereits berichtet, dass dem DJV NRW in Verhandlungen mit der Funke-Mediengruppe Ungewöhnliches gelungen war: Auch die von der Schließung aller Redaktionen der Westfälischen Rundschau betroffenen Freien erhielten "Abfindungen". Wenig genug, aber immerhin! Später konnte der DJV den Empfängerkreis ausweiten - auch die Freien der geschlossenen WAZ-Vest-Redaktionen konnten solche Einmalzahlungen erhalten.

Nicht ganz "unschuldig" war der DJV NRW auch daran, dass die SPD-Medienholding ddvg kürzlich nachträglich nicht nur Geld für die WR-Gefeuerten zur Verfügung stellte - sondern dann auch für die betroffenen Freien. 100.000 Euro. „Ich freue mich über dieses solidarische Zeichen der Holding", sagt DJV-NRW-Vorsitzender Frank Stach laut Pressemitteilung des DJV NRW, „hätte mir aber, das verhehle ich nicht, mehr gewünscht."


Und jetzt konnte vereinbart werden, dass die Funke-Gruppe die Freien-"Abfindungen" noch einmal ausweitet. Diesmal auch auf die Freien im Fotopool bei WAZ NewMedia. Auch in diesem Bereich droht im Rahmen der laufenden Einspar-Aktion Personalabbau.